1. Ist eine Kündigungsschutzklage ohne Anwalt überhaupt möglich?
Grundsätzlich besteht in der ersten Instanz beim Arbeitsgericht kein Anwaltszwang (§ 11 ArbGG). Das bedeutet: Arbeitnehmer können ihre Kündigungsschutzklage selbst einreichen und sich auch selbst vertreten.
Ab der nächsten Instanz – also vor dem Landesarbeitsgericht und dem Bundesarbeitsgericht – ist es verpflichtend, sich von einem zugelassenen Rechtsanwalt vertreten zu lassen. Ein eigenständiges Auftreten ohne Anwalt ist dort nicht mehr möglich.
- Arbeitsgericht = kein Anwaltszwang
- Landesarbeitsgericht – Anwaltszwang
- Bundesarbeitsgericht – Anwaltszwang
Ablauf der Kündigungsschutzklage ohne Anwalt
Ohne anwaltliche Vertretung müssen Arbeitnehmer im Rahmen der Kündigungsschutzklage insbesondere folgende Punkte berücksichtigen:
Klagefrist beachten
Formlose Einreichung
Arbeitnehmer können die Klage entweder schriftlich einreichen oder direkt bei der Rechtsantragsstelle des Gerichts zu Protokoll geben.
Wer aus Kostengründen auf einen Anwalt verzichtet, sollte unbedingt die Rechtsantragsstelle des zuständigen Arbeitsgerichts aufsuchen. Auch wenn dort keine umfassende Rechtsberatung stattfindet, unterstützen die Mitarbeiter bei der Aufnahme der Klage, helfen bei der richtigen Formulierung und achten darauf, dass alle erforderlichen Angaben in der Kündigungsschutzklage enthalten sind. So wird sichergestellt, dass die Klage formal korrekt beim Gericht eingeht.
Tipp: Die Rechtsantragsstelle befindet sich in der Regel im Gebäude des Arbeitsgerichts, das für den Arbeitsort des gekündigten Arbeitnehmers zuständig ist. Die Kontaktdaten und die aktuellen Öffnungszeiten sind meist auf der Homepage des jeweiligen Gerichts veröffentlicht.
Man sollte vorab telefonisch einen Termin vereinbaren und zum Termin unbedingt die erhaltene Kündigung sowie – falls vorhanden – den Arbeitsvertrag und weitere relevante Unterlagen mitbringen. So kann die Klageaufnahme möglichst reibungslos und vollständig erfolgen.
Gütetermin
Nach Eingang der Klage setzt das Arbeitsgericht einen sogenannten Gütetermin an. In diesem Termin wird versucht, eine Einigung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu erzielen.
Beweisführung
Arbeitnehmer müssen selbst Beweise und Argumente vorbringen, die gegen die Wirksamkeit der Kündigung sprechen.
Wer ohne anwaltliche Unterstützung klagt, sollte sich der genannten Anforderungen und Risiken bewusst sein und besonders sorgfältig vorgehen, damit die eigenen Rechte gewahrt bleiben.
3. Vorteile und Risiken einer Kündigungsschutzklage ohne Anwalt
Zwar bietet das Einreichen einer Kündigungsschutzklage ohne Anwalt auf den ersten Blick einen Vorteil – die kurzfristige Kostenersparnis. Im Einzelfall können jedoch die damit verbundenen Risiken die vermeintliche Ersparnis deutlich überwiegen:
| Vorteile | Risiken |
| Kostenersparnis: Wer auf einen Anwalt verzichtet, spart zunächst die Anwaltskosten.
Für Arbeitnehmer ohne Rechtsschutzversicherung kann dies ein entscheidender Faktor sein. Besonders in unkomplizierten Fällen oder bei klarer Sachlage erscheint der Gang ohne anwaltliche Unterstützung auf den ersten Blick attraktiv. |
Mögliche Formfehler: Das Arbeitsrecht kennt viele Formalien und Fristen. Schon kleine Fehler bei der Einreichung der Klage – etwa eine falsche oder unvollständige Angabe oder eine Fristversäumnis – können dazu führen, dass das Gericht die Kündigungsschutzklage gar nicht erst prüft oder sie abweist. Die Kündigung hätte dann Bestand, obwohl sie eigentlich unwirksam ist. |
| Komplexität: Das Kündigungsrecht ist komplex und für juristische Laien oft schwer durchschaubar. Ohne fundierte Kenntnisse besteht das Risiko, wichtige Argumente oder Beweise nicht korrekt vorzubringen. Das kann die Erfolgsaussichten der Klage erheblich schmälern. |
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| Vergleichsverhandlungen: In vielen Fällen endet das Verfahren mit einem Vergleich, etwa einer Abfindung. Ein erfahrener Anwalt kennt die üblichen Spielräume, kann gezielt verhandeln und für den Arbeitnehmer oft bessere Konditionen herausholen, als dies einem Laien möglich wäre.
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| Wahl des Gerichts: Manchmal gibt es mehrere zuständige Arbeitsgerichte (zum Beispiel, wenn Firmensitz und Arbeitsort nicht am gleichen Ort liegen). In so einem Fall kann ein Anwalt dafür sorgen, dass die Klage bei dem Gericht eingereicht wird, bei dem die Chancen auf eine für den Arbeitnehmer positive Entscheidung am besten stehen. |
Achtung: Gerade bei komplizierten Fällen oder Unsicherheiten empfiehlt es sich, zumindest eine anwaltliche Erstberatung in Anspruch zu nehmen. So können Sie Ihre Erfolgschancen besser einschätzen.
Wir bieten Ihnen nach erhaltener Kündigung eine kostenfreie arbeitsrechtliche Erstberatung an – persönlich in einem unserer über 20 Beratungsbüros in Ihrer Nähe, telefonisch oder per Video. In diesem Gespräch prüfen wir Fristen, Erfolgsaussichten und mögliche Abfindungschancen und besprechen mit Ihnen, welcher nächste Schritt sinnvoll ist.
4. Wer trägt die Kosten?
Die Gerichtskosten richten sich nach dem Streitwert und fallen häufig moderat aus. Wer eine Rechtsschutzversicherung hat, sollte frühzeitig klären, ob diese die Kosten übernimmt.
Beispielrechnung: Was kostet eine Kündigungsschutzklage?
Ausgangsfall: Bruttomonatsgehalt 3.000 EUR → Streitwert in der Regel 3 Monatsgehälter = 9.000 EUR.
Beispiel 1: Mit Anwalt, Urteil in 1. Instanz
- Anwaltskosten für den Arbeitnehmer: 1.786,50 EUR
- Gerichtskosten: 781,50 EUR
- Gesamtkosten für den Arbeitnehmer: 2.568 EUR
Beispiel 2: Ohne Anwalt, Urteil in 1. Instanz
- Keine eigenen Anwaltskosten
- Gerichtskosten: 781,50 EUR
- Ersparnis ohne Anwalt: 1.786,50 EUR
Und was ist mit einem Vergleich?
Bei einem Vergleich entstehen in der Regel zusätzliche Gebühren für Anwalt und Gericht. Trotzdem kann ein Vergleich für den Arbeitnehmer finanziell sehr sinnvoll sein, zum Beispiel wegen:
- einer Abfindung,
- einer besseren Beendigungsregelung,
- einer klaren und schnellen Lösung.
Beispiel 1: Mit Anwalt, mit Vergleich (Urteil in 1. Instanz)
- Anwaltskosten für den Arbeitnehmer: 2.491,50 EUR
- Gerichtskosten: i.d.R. 0,00 EUR
- Gesamtkosten für den Arbeitnehmer: 2.752 EUR
Beispiel 2: Ohne Anwalt, mit Vergleich (Urteil in 1. Instanz)
- Keine eigenen Anwaltskosten
- Gerichtskosten: i.d.R. 0,00 EUR
- Ersparnis ohne Anwalt: 2.491,50 EUR
Prozesskostenhilfe als Entlastung bei geringen Einkünften
Wer sich einen Anwalt oder die Gerichtskosten nicht leisten kann, muss deshalb nicht automatisch auf rechtlichen Beistand verzichten, denn gekündigte Arbeitnehmer können Prozesskostenhilfe (PKH) für die Kündigungsschutzklage beantragen.
Wird PKH bewilligt, können die Gerichtskosten ganz oder teilweise übernommen werden; je nach finanzieller Situation werden auch die eigenen Anwaltskosten ganz, teilweise oder in Raten getragen.
5. Muster einer Kündigungsschutzklage
Nachfolgend stellen wir ein ausführliches Muster für eine Kündigungsschutzklage zur Verfügung – sowohl im Volltext direkt auf dieser Seite als auch als PDF- und Word-Datei zum Download. So können Sie die Vorlage bequem an Ihre individuelle Situation anpassen.
KÜNDIGUNGSSCHUTZKLAGE
Von
Max Mustermann
Musterstraße 123
12345 Musterstadt
– Kläger/in –
Gegen
Beispiel GmbH
Beispielgasse 123
12345 Beispielhausen
– Beklagte –
wird hiermit Klage erhoben und beantragt:
- Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom [tt.mm.jjjj] nicht beendet wird.
- Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht.
- Die Beklagte wird, für den Fall des Obsiegens mit dem Klageantrag zu 1., verurteilt, den/die Kläger/in zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als [Berufsbezeichnung] bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen.
Der Kündigung der Beklagten vom [tt.mm.jjjj] liegt folgender entscheidungserheblicher Sachverhalt zugrunde:
I. Inhalt des Arbeitsverhältnisses
Der/die Kläger/in erbringt üblicherweise ihre Arbeitsleistung am Standort der Beklagten in [Arbeitsort].
Der/die am [tt.mm.jjjj] geborene Kläger/in, ledig/verheiratet/geschieden/verwitwet, [Anzahl Kinder] Kind/er, ist seit dem [tt.mm.jjjj] bei der Beklagten aktuell als [Berufsbezeichnung] mit einem monatlichen Gehalt von zuletzt durchschnittlich [Monatsgehalt] Euro brutto beschäftigt. Den Arbeitsvertrag füge ich als
Anlage K 1
in Kopie bei.
In dem Betrieb der Beklagten sind regelmäßig über 10 Arbeitnehmer in Vollzeit beschäftigt. Mit Schreiben vom [tt.mm.jjjj], welches dem/der Kläger/in am [tt.mm.jjjj] zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum [tt.mm.jjjj]. Ich füge das Kündigungsschreiben als
Anlage K 2
in Kopie bei.
Dem/der Kläger/in stehen noch [Anzahl Tage Resturlaub] Tage Resturlaub und [Anzahl Stunden Arbeitszeitguthaben] Stunden Arbeitszeitguthaben zu, welche durch eine etwaige Freistellung nicht abgeschmolzen werden.
II. Ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung
Die ordnungsgemäße Anhörung nach § 102 Abs.1 BetrVG des bei der Beklagten bestehenden Betriebsrats wird mit Nichtwissen bestritten.
III. Kündigungssachverhalt
Ein Sachverhalt, der eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach § 626 Abs.1 BGB rechtfertigen würde, ist dem/der Kläger/in nicht bekannt und wird mit Nichtwissen bestritten. Darüber hinaus wird die Einhaltung der zweiwöchigen Erklärungsfrist mit Nichtwissen bestritten.
Ein Sachverhalt, der die Kündigung gemäß § 1 Abs.2 KSchG rechtfertigen könnte, ist dem/der Kläger/in nicht bekannt und wird mit Nichtwissen bestritten.
IV. Geltendmachung weiterer offener Ansprüche
Ich mache die klägerischen Entgeltansprüche, auch für den Fall des Annahmeverzuges, geltend. Dies bezieht sich auf das entgangene Entgelt sowie sämtliche sonstigen Leistungen wie Urlaub, Urlaubsentgelt, Urlaubsabgeltung, Urlaubsgeld und vermögenwirksame Leistungen. Sollte der Rechtsstreit über das Jahresende hinaus fortdauern, wird bereits jetzt die Übertragung der Urlaubstage auf das Folgejahr begehrt. Für den Fall des Unterliegens wird die Abgeltung des noch zum Ende des Arbeitsverhältnisses offenstehenden Urlaubs geltend gemacht.
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6. Fazit
- Eine Kündigungsschutzklage ohne Anwalt ist zumindest vor dem Arbeitsgericht grundsätzlich möglich.
- Das Verfahren birgt jedoch viele Risiken, insbesondere für Arbeitnehmer ohne Erfahrung mit Fristen, Formalien und arbeitsrechtlichen Regelungen.
- Wer sich nicht gut auskennt, läuft Gefahr, wichtige Ansprüche zu verlieren.
- Auch die Höhe einer möglichen Abfindung kann ohne anwaltliche Unterstützung oft geringer ausfallen.
- In einfachen und klaren Fällen kann der Verzicht auf einen Anwalt sinnvoll sein –weil Sie sich die Anwaltskosten sparen und nur die (oft überschaubaren) Gerichtskosten tragen müssen. .
- Bei Unsicherheiten oder komplexeren Sachverhalten ist jedoch die Unterstützung durch einen erfahrenen Rechtsanwalt für Arbeitsrecht zu empfehlen.