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Wie viele Abmahnungen bis Kündigung ausgesprochen wird?

Eine Abmahnung kann Vorzeichen einer Kündigung sein. So muss es allerdings nicht kommen. Wie viele Abmahnungen vor einer Kündigung zu erwarten sind, erklärt dieser Beitrag.

1. Wie viele Abmahnungen bis zur Kündigung des Arbeitsvertrags?

Ob bereits nach der ersten Abmahnung eine Kündigung droht, kann nicht allgemeingültig beantwortet werden. In einigen Fällen kann sogar ohne vorherige Abmahnung gekündigt werden, es können aber auch mehrere Abmahnungen erforderlich sein. Es kommt also immer auf die jeweilige Situation an.

Vorab: Abmahnungen sind nur relevant, wenn dem Arbeitnehmer ein Vorwurf gemacht werden kann. Ist sein Arbeitsplatz zum Beispiel aus wirtschaftlichen oder krankheitsbedingten Gründen gefährdet, kommt es nicht zu einer Abmahnung.

Jedenfalls falsch ist der weit verbreitete Irrglaube, der Arbeitgeber müsse den Arbeitnehmer drei Mal abmahnen, ehe er ihm kündigt. Zwar wird dies nicht selten so gehandhabt, der Arbeitgeber ist hierzu jedoch nicht verpflichtet. Es gibt keine Bestimmung darüber, wie oft abgemahnt werden muss.

Einen Anhaltspunkt dafür, wie viele Abmahnungen vor einer Kündigung notwendig sind, bietet die Schwere des Verstoßes. Bei schwereren Pflichtverletzungen kann eine Abmahnung bereits ausreichen, bei leichten Verstößen muss grundsätzlich mehrmals abgemahnt werden. Dies ist in der Regel auch der Fall, wenn die erste Abmahnung bereits länger zurückliegt. Unter Umständen ist nicht einmal eine Abmahnung erforderlich (s.u.).

Beispiel 1: Wiederholte Verspätungen

In einem Fall vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) kam ein Lagerarbeiter mehrfach und über mehrere Jahre hinweg zu spät zur Arbeit. Es ergingen zahlreiche Abmahnungen wegen der Verspätungen. 15 Jahre später mahnte der Arbeitgeber ihn wortwörtlich ein letztes Mal ab („Das ist unsere letztmalige Abmahnung“). Gleichwohl erschien er am Folgetag zehn Minuten und eine Woche später über eine Stunde zu spät. Daraufhin kündigte der Arbeitgeber ihm fristgemäß.

Bei Verspätungen handelt sich um grundsätzlich um leichte Verstöße, die mehrere Abmahnungen erfordern. Mahnt der Arbeitgeber jedoch zu oft und ohne weitere Konsequenzen ab, kann dies dazu führen, dass der Arbeitnehmer diese nicht mehr ernst nimmt; und auch nicht ernst nehmen muss.

Der Arbeitgeber muss ihn dann vor einer Kündigung besonders eindringlich abmahnen, um ihm so klar zu machen, dass weitere Verstöße zur Kündigung führen werden. Dies war im vorliegenden Fall auch geschehen, sodass die Kündigung wirksam war.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.11.2001 – Az.: 2 AZR 609/00

Beispiel 2: Mitnahme von geringwertigen Gegenständen

Arbeitnehmer A entwendete eine Schaumstoffmatte aus einer Abfalltonne, die auf dem Betriebsgelände stand. Zwar war die Matte wertlos und sollte entsorgt werden. Nach den Arbeitsanweisungen war es dem Mitarbeiter aber verboten, dieses Material ohne Erlaubnis mitzunehmen. Bei diesem bewussten Verstoß gegen die Regeln handelt es sich trotz des nicht messbaren Schadens um eine Pflichtverletzung, die im Wiederholungsfall schon nach einer Abmahnung zur Kündigung führen kann.

Bei Abmahnungen gilt also: Vorsicht ist besser als Nachsicht. Bereits nach der ersten Abmahnung besteht die Gefahr einer Kündigung – sofern es zu einem erneuten Verstoß kommt. Zwar können bei leichten Verstößen durchaus mehrere Abmahnungen für eine Kündigung erforderlich sein, verlassen sollten sich Arbeitnehmer hierauf aber nicht.

2. Wann droht die Kündigung nach einer Abmahnung?

Es mag paradox klingen, aber die Abmahnung hat für den Arbeitnehmer auch etwas Gutes:

Mit einer Abmahnung gibt der Arbeitgeber nämlich zu erkennen, dass er den Arbeitnehmer gerade nicht unmittelbar kündigen wird. In der Regel darf der Arbeitnehmer daher darauf vertrauen, dass sein Fehlverhalten mit der Abmahnung erledigt ist und unmittelbar daraus keine Kündigung folgen wird.

Anders ist es natürlich, wenn sich das Verhalten wiederholt oder neue Umstände zutage treten. In diesem Fall kann sich der Arbeitgeber erneut entscheiden, ob er auf sein Kündigungsrecht verzichtet oder diesmal die Kündigung ausspricht.

Zur Kündigung kann er unter folgenden Umständen greifen:

  • Eine Kündigung ist stets das letzte Mittel (ultima ratio) der Wahl. Vorher muss der Arbeitgeber versuchen, von anderen, milderen Mitteln Gebrauch zu machen; zum Beispiel, indem er den Arbeitnehmer erneut abmahnt. Ob dies notwendig ist, wird oben thematisiert. Nur wenn er keine andere Möglichkeit sieht, als den Arbeitnehmer zu entlassen, darf er die Kündigung aussprechen.
  • Für eine Kündigung muss außerdem eine sog. negative Prognose Eine solche ist dann gegeben, wenn zu erwarten ist, dass sich der Arbeitnehmer auch zukünftig nicht ordnungsgemäß verhalten wird. Liegt demnach eine Abmahnung vor und verletzt der Arbeitnehmer trotzdem erneut seine vertraglichen Pflichten, kann in aller Regel davon ausgegangen werden, dass es auch künftig zu weiteren Verstößen kommen wird.
  • Viele Kündigungen sind unwirksam, weil sie einen völlig anderen Vorwurf betreffen als den, der abgemahnt wurde. Die Verstöße müssen allerdings im Zusammenhang stehen. Dies ist notwendig, um eine erneute Pflichtwidrigkeit annehmen zu können (sog. Gleichartigkeit). Es kann also nicht wegen eines völlig anderen Verhaltens gekündigt werden. Die Pflichtverletzungen müssen aus dem gleichen Bereich stammen.

An die Gleichartigkeit sind allerdings keine überhöhten Anforderungen zu stellen. Es muss lediglich ein innerer Zusammenhang bestehen.

Ein solcher Zusammenhang ist zum Beispiel nicht gegeben, wenn der Arbeitnehmer wegen Mobbings abgemahnt wird, ihm dann aber wegen wiederholter Unpünktlichkeit gekündigt wird. Er kann aber zwischen Verspätungen und unentschuldigtem Fehlen bestehen (vgl. BAG, Beschluss vom 10.12.1992 – Az.: 2 ABR 32/92); ebenso zwischen wiederholten Verspätungen und Versäumnissen bei der Krankmeldung (vgl. BAG, Urteil vom 16. 9. 2004 – Az.: 2 AZR 406/03).

3. Wann ist eine Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung wirksam?

Nicht immer muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vor einer Kündigung abmahnen. In den folgenden vier Fällen kann von einer Abmahnung abgesehen werden bzw. diese kann erst gar nicht wirksam ausgesprochen werden:

Keine Abmahnung bei besonders schwerem Vorwurf

Es kann Situationen geben, in denen es für den Arbeitgeber unzumutbar ist, das Arbeitsverhältnis weiter fortzuführen. Davon ist etwa auszugehen, wenn eine Verhaltensänderung auch nach einer Abmahnung nicht zu erwarten ist. Häufig ist die Abmahnung auch entbehrlich, wenn die Pflichtverletzung so schwerwiegend ist, dass selbst deren erstmalige Hinnahme für den Arbeitgeber nicht hinnehmbar ist.

Beispiele dafür können sein:

  • Sexuelle Belästigung
  • Diebstahl am Arbeitsplatz
  • Gewalt gegen oder schwere Beleidigung von Kollegen
  • Betrug des Arbeitgebers
  • Ernsthafte Gewaltandrohungen gegen den Arbeitgeber

Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer in diesen Fällen sofort, das heißt ohne vorherige Abmahnung, ordentlich bzw. außerordentlich kündigen.

In Ausnahmefällen kann dennoch zunächst eine Abmahnung erforderlich sein, wie das folgende Beispiel des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg zeigt.

Beispiel: Ein schwerwiegender Verstoß liegt insbesondere dann vor, wenn der Arbeitnehmer Gegenstände des Arbeitgebers entwendet. In einem solchen Fall entschied das LAG Berlin-Brandenburg, dass selbst die Mitnahme wertloser Gegenstände zu einer fristlosen Kündigung berechtigen könne. Die fristlose Kündigung des Arbeitgebers sei jedoch im Ergebnis insbesondere wegen der langjährigen, seither nicht zu beanstandenden Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers unwirksam. Auch sei kein messbarer Schaden entstanden. Daher sei in diesem Fall eine Abmahnung ausnahmsweise nicht entbehrlich.

LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4.6.2015 – Az.: 5 Sa 190/15 

Personen- oder betriebsbedingte Kündigung

Eine Abmahnung muss grundsätzlich nur vor einer verhaltensbedingten Kündigung ergehen. Mit ihr rügt der Arbeitgeber ein Verhalten, das der Arbeitnehmer selbst verschuldet hat und auf das er Einfluss nehmen kann. Ein klassisches Beispiel ist die Unpünktlichkeit. Der Arbeitnehmer kann selbst entscheiden, ob und wann er zur Arbeit erscheint.

Hier ergibt eine Abmahnung Sinn. Denn der Arbeitnehmer erhält nicht bloß die Warnung, dass ihm bei wiederholtem Verstoß gekündigt werden kann. Es wird ihm zugleich die Gelegenheit gegeben, sein Verhalten zu ändern.

Anders liegt der Fall bei betrieblichen (z.B. fällt die Stelle weg) oder personenbedingten Gründen (z.B. häufige Krankheit, Haft). Diese Umstände kann er kaum oder gar nicht beeinflussen. Eine vorherige Abmahnung würde somit ins Leere gehen.

Denkbar ist aber der Fall, in dem den Arbeitnehmer zwar keine Schuld für die Umstände trifft, er aber gleichwohl die Möglichkeit hat, einen in seiner Person liegenden Kündigungsgrund zu beseitigen.

Beispiel: Ein ausländischer Arbeitnehmer weigert sich, erforderliche Sprachkenntnisse zu erwerben. Die fehlende Sprachfertigkeit stellt einen in der Person des Arbeitnehmers liegenden Kündigungsgrund dar. Die Weigerung des Arbeitnehmers hingegen stellt ein Vertragsverstoß dar, den er selbst auch beeinflussen kann. Daher ergibt eine Abmahnung hier Sinn. Anders ist es nur, wenn der Arbeitnehmer schon beim Vertragsschluss zu erkennen gibt, keine neue Sprache erlernen zu wollen.

Das Gesagte gilt ebenso in Fällen der fristlosen Kündigung. Auch hier muss der Kündigung in der Regel eine Abmahnung vorausgehen – allerdings nur, sofern der Arbeitnehmer das abgemahnte Verhalten beeinflussen kann. Eine Ausnahme stellen besonders grobe Verstöße dar. Der Unterschied zur ordentlichen Kündigung liegt darin, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis sofort beenden kann, ohne dafür eine bestimmte Frist einhalten zu müssen.

Keine Abmahnung in Probezeit und im Kleinbetrieb

Eine Abmahnung ist darüber hinaus entbehrlich, wenn kein allgemeiner Kündigungsschutz besteht. Das ist der Fall

  • in der Probezeit, das heißt, wenn das Arbeitsverhältnis noch nicht länger als sechs Monate besteht.
  • in Kleinbetrieben. Dies sind Betriebe mit zehn oder weniger Arbeitnehmern. Teilzeitkräfte bis 30 Stunden pro Woche gelten dabei als 0,75 Mitarbeiter und Arbeitnehmer bis 20 Stunden pro Woche als 0,5 Mitarbeiter.

Unter diesen Umständen hat der Arbeitgeber bei der Kündigung relativ freie Hand. Dementsprechend muss er auch nicht abmahnen. Seinem Kündigungsrecht sind allerdings Grenzen gesetzt, wenn er willkürlich vorgeht oder nicht einmal im Mindestmaß Rücksicht auf soziale Belange nimmt

Beispiel: Er kündigt ohne erkennbaren Grund einem langjährigen und unterhaltspflichtigen Familienvater, statt einen jungen Mitarbeiter zu entlassen, der gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt hat.

Eine Abmahnung ist im Kleinbetrieb oder in der Probezeit allenfalls erforderlich, wenn der Arbeitgeber dies immer so handhabt und die betroffenen Arbeitnehmer darauf vertrauen, dass zunächst ohne Abmahnung keine verhaltensbedingte Kündigung zu erwarten ist.

Keine Abmahnung bei Verdachtskündigung

Kündigt der Arbeitgeber einem Mitarbeiter wegen dessen Fehlverhaltens, muss er die Vorwürfe vor Gericht beweisen. Nur in Ausnahmefällen reicht schon der Verdacht aus. Man spricht von einer sog. Verdachtskündigung. Da hier nicht feststeht, ob der Arbeitnehmer tatsächlich Pflichten verletzt hat, ergibt eine Abmahnung keinen Sinn. Vor einer Verdachtskündigung muss daher nicht abgemahnt werden.

In der Regel wiegen die Vorwürfe im Rahmen einer Verdachtskündigung ohnehin so schwer, dass eine Abmahnung schon deshalb nicht erforderlich wäre – unabhängig davon, ob die Vermutungen tatsächlich zutreffen.

4. Fazit

  • Dass der Arbeitgeber vor einer Kündigung stets drei Mal abmahnen muss, ist ein Irrglaube. Bei schweren Verstößen kann schon eine Abmahnung ausreichen, um dem Arbeitnehmer zu kündigen.
  • Der Arbeitnehmer wird durch die Abmahnung zunächst nur vor einer drohenden Kündigung gewarnt. Ihm wird damit Gelegenheit gegeben, sein Verhalten zu ändern.
  • Grundsätzlich muss vor jeder verhaltensbedingten Kündigung abgemahnt werden.
  • Allerdings kann der Arbeitgeber auch ohne Abmahnung kündigen, wenn eine Chance auf Besserung nicht erkennbar ist oder ein besonders schwerer Verstoß vorliegt. Im Kleinbetrieb und in der Probezeit kann generell ohne Abmahnung gekündigt werden. Dasselbe gilt bei einer personen- oder betriebsbedingten Kündigung.

5. Video