1. Wann zählt Umziehzeit als Arbeitszeit?
Entscheidend für diese Frage ist, ob das Umkleiden auf Anweisung des Arbeitgebers erfolgt, im Betrieb stattfinden muss und ausschließlich betrieblichen Interessen dient.
Betrieblich angeordnete Dienstkleidung
Ist das Tragen von Arbeitskleidung beispielsweise aus Hygienegründen erforderlich (z.B. im Labor) und darf die Arbeitskleidung daher erst im Betrieb angelegt werden, muss der Arbeitgeber diese Zeiten bereits vergüten. Das gleiche gilt auch bei angeordneter Sicherheitsbekleidung (z.B. Sicherheitsschuhen), weil hier ausschließlich von einem fremdnützigen Bedürfnis – der Verhinderung von Arbeitsunfällen im Betrieb – auszugehen ist.
Ist das Umkleiden hingegen nicht betrieblich angeordnet und erfolgt es nur zum persönlichen Komfort des Arbeitnehmers, zählt es nicht zur Arbeitszeit und fällt damit in die Freizeit des Arbeitnehmers.
Auffällige Dienstkleidung
Das Umziehen ist auch dann Arbeitszeit, wenn das Umziehen zwar nicht zwingend im Betrieb stattfinden muss, der Arbeitgeber aber eine besonders auffällige Dienstkleidung vorschreibt und der Arbeitnehmer diese nicht schon zu Hause anlegen möchte. Dazu ist er auch nicht verpflichtet. In dem Fall darf das Anlegen der Dienstkleidung im Rahmen der Arbeitszeit im Betrieb erfolgen.
Wann Dienstkleidung auffällig ist, hängt grundsätzlich vom Einzelfall ab. Grundsätzlich zählen Arbeitsuniformen mit Schriftzügen oder Firmenlogos, die den Arbeitnehmer offenkundig mit seinem Arbeitgeber in Verbindung bringen, tendenziell als auffällige Dienstkleidung. Typische Beispiele sind die Polizeiuniform, aber auch die markant weiße Arbeitskleidung eines Krankenpflegers.
Ist die Arbeitskleidung hingegen unauffällig, kann der Arbeitnehmer das Umkleiden auch dann nicht als Arbeitszeit ansetzen, wenn er diese erst im Betrieb anlegt (z.B. Anordnung zum Tragen eines Anzugs bei Bankangestellten im Kundenverkehr).
Freiwilliges Umziehen zu Hause ist keine Arbeitszeit
Stellt der Arbeitgeber Umkleidemöglichkeiten im Betrieb zur Verfügung und zieht der Arbeitnehmer sich trotzdem freiwillig bereits zu Hause um (z.B. als Polizist, um kostenfrei die Bahn zu nutzen), zählt die Umkleidezeit nicht mehr zur Arbeitszeit (BAG, Urt. v. 31.03.2021 – Az. 5 AZR 148/20).
Duschen und Waschen kann Arbeitszeit sein
Bei einigen Berufen zählt zusätzlich zum Umziehen auch eine Reinigung (z.B. Dusche) zur Arbeitszeit.
Dies bestätigte das Bundesarbeitsgericht zuletzt für Containermechaniker, die trotz Schutzkleidung starken Verschmutzungen ausgesetzt sind (z.B. durch Öle oder Lacke) (BAG, Urt. v. 23.04.2024 – Az. 5 AZR 212/23).
Arbeitnehmer, die mit Chemie- oder sonstigen Gefahrenstoffen in Berührung kommen, sind regelmäßig auf eine Reinigung angewiesen und im Einzelfall sogar auf Anordnung des Arbeitgebers dazu verpflichtet.
Eine Pauschalisierung ist jedoch nicht möglich. Maßgeblich ist, ob die Reinigung aus betrieblichen oder hygienischen Gründen erforderlich ist und nicht bloß dem privaten Komfort dient. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, hängt auch von den betrieblichen Begebenheiten ab und bedarf daher stets einer Prüfung des Einzelfalls.
2. Wie lange darf das Umziehen dauern?
Eine pauschale Regelung gibt es hierfür nicht. Die vergütungsfähige Dauer des Kleidungswechsels richtet sich nach der persönlichen Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers und somit nach der tatsächlichen Zeit, die er zum Umkleiden benötigt. Zur Verhinderung von Missbrauch begrenzt das Bundesarbeitsgericht diese Zeitspanne, indem es auf die Umziehzeit unter Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit abstellt (BAG, Urt. v. 26.10.2016 – Az. 5 AZR 168/16).
Praktisch hängt der erforderliche Zeitaufwand von der konkreten Dienstkleidung und dem damit verbundenen Aufwand ab. Je nach Branche dürfen Arbeitnehmer mehr oder weniger Zeit für das Umziehen einplanen. Üblich dürfte regelmäßig eine Zeitspanne von fünf bis 15 Minuten sein.
In der Regel ordnet der Arbeitgeber den Kleidungswechsel vor Aufnahme und nach Beendigung der Tätigkeit an, sodass täglich bis zu 30 Minuten als Umkleidezeit zur Arbeitszeit zu zählen sind.
3. (Wie) Wird Umziehzeit bezahlt?
Hinsichtlich der Bezahlung der Umziehzeiten gelten grundsätzlich die allgemeinen Vergütungsregelungen.
Die Vergütungspflicht gilt auch für die dadurch bedingten Wegezeiten (Gang von der Umkleide zum Arbeitsplatz).
Nicht selten wird z. B. in Betriebsvereinbarungen geregelt, dass das Umkleiden kein vergütungspflichtiger Bestandteil der Arbeitszeit ist und außerhalb der Arbeitszeit erfolgen muss. Entscheidend ist also, was im konkreten Fall durch Arbeits- oder Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung geregelt ist.
Arbeitnehmer sollten deshalb zunächst einen Blick in ihren Arbeits- oder Tarifvertrag werfen, denn der Arbeitgeber darf darin eine gesonderte Vergütungsregelung treffen (BAG, Urt. v. 25.04.2018 – 5 AZR 245/17). Demnach kann die Bezahlung teilweise oder vollständig entfallen. Das gilt nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts sogar dann, wenn es sich um arbeitsschutzrechtlich vorgeschriebene Umkleidezeiten handelt (BAG, Urt. v. 13.12.2016 – 9 AZR 574/15).
Das hat zur Konsequenz, dass betroffene Arbeitnehmer zusätzliche Zeiten für das Umkleiden und den Weg von der Umkleide zum Arbeitsplatz einplanen müssen. Andernfalls riskieren sie, zu spät am Arbeitsplatz zu erscheinen, wenn das Umkleiden erst nach Beginn der vereinbarten Arbeitszeit stattfindet.
4. Wer muss die Dauer der Umziehzeiten beweisen?
Die Beweislast für die tatsächliche Umziehzeit liegt grundsätzlich beim Arbeitnehmer. Eine Dokumentation der Umziehzeiten ist daher zu empfehlen. Idealerweise sollten die Umziehzeiten daher schriftlich oder in einer App notiert werden. Arbeitnehmer, die in einem Team arbeiten, können ihre Zeiten auch gegenseitig bestätigen.
Steht eine Vergütungspflicht dem Grunde nach fest und kann der Arbeitnehmer den Zeitaufwand zumindest in plausiblen Ansätzen vor Gericht darlegen, darf das Gericht den tatsächlichen und damit vergütungspflichtigen Aufwand auch schätzen (§ 287 ZPO). Im Idealfall kann das Gericht jedoch auf eine für den Arbeitnehmer oft günstigere tatsächliche Zeiterfassung zurückgreifen.
5. Fazit
- Umziehen ist Arbeitszeit, wenn die Dienstkleidung auf Anordnung des Arbeitgebers angelegt wird oder es sich um besonders auffällige Dienstkleidung handelt, die der Arbeitnehmer nicht zu Hause anziehen muss.
- Umziehzeit muss grundsätzlich wie die sonstige Arbeitszeit bezahlt werden.
- Im Tarif- oder Arbeitsvertrag oder durch eine Betriebsvereinbarung kann die Vergütungspflicht für Umziehzeiten ausgeschlossen werden.
- Arbeitnehmer tragen die Beweislast für die tatsächliche Dauer der Umziehzeit. Im Streitfall kann ein Gericht diese schätzen.