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Kündigung mit Sozialplan: So gibt es eine hohe Abfindung

Bei betriebsbedingten Kündigungen wird häufig mit dem Betriebsrat ein Sozialplan ausgehandelt, der die wirtschaftlichen Nachteile für die Arbeitnehmer mindern oder ausgleichen soll. Wir erläutern Ihnen, wie Sie auf eine Kündigung mit Sozialplan reagieren sollten.

1. Was genau regelt der Sozialplan?

Betriebe müssen sich immer wieder umstellen und an die wirtschaftliche Lage anpassen. Oft kommt es zu Neuausrichtungen, Outsourcing oder Betriebsverkleinerungen. Bei solchen Veränderungen verhandelt der Arbeitgeber zunächst mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich – also das Ob, Wie und Wann der Betriebsänderungen.

Wenn die Veränderungen feststehen, kommt der Sozialplan zum Tragen. Dieser widmet sich den nachteiligen Folgen für die betroffenen Arbeitnehmer und legt Kompensationen fest.

Der Inhalt des Sozialplans ist frei von Betriebsrat und Arbeitgeber verhandelbar. Der Betriebsrat vertritt dabei die Interessen der Belegschaft. In den meisten Fällen regelt der Sozialplan:

  • Abfindungen: In der Regel werden Abfindungen für jene Mitarbeiter festgelegt, die als Folge der Betriebsänderung gekündigt werden. Die Höhe der Abfindung kann frei von Arbeitgeber und Betriebsrat verhandelt werden. Sie bemisst sich meist nach einer im Sozialplan festgelegten Formel, die das Alter des Arbeitnehmers, die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit und den Bruttoverdienst berücksichtigt.
Gängig ist zum Beispiel die „Divisorformel“:

Dauer der Betriebszugehörigkeit x Lebensalter x Bruttomonatsvergütung / Divisor

Über den Divisor wird verhandelt. Häufig ist es eine Größe um 100. Je kleiner der Divisor, desto höher die Abfindung. Schwangere, Eltern oder Schwerbehinderte erhalten meist Zusatzleistungen.

  • Transfergesellschaft: Entlassenen Mitarbeiter erhalten gelegentlich das Angebot, in eine sog. Transfergesellschaft zu wechseln. Dort werden sie weiterqualifiziert und idealerweise in einen neuen Job vermittelt. Die Agentur für Arbeit zahlt grundsätzlich Transferkurzarbeitergeld, der ehemalige Arbeitgeber schießt ggf. etwas hinzu.
  • Weiterbildung: Auch ohne eine Transfergesellschaft einigen sich Betriebsrat und Arbeitgeber gelegentlich auf kostenfreie Weiterbildungsmaßnahmen für die entlassenen Mitarbeiter.
  • Umzugs- und Fahrtkostenerstattungen: Wenn Ihr Betrieb lediglich den Ort wechselt, werden im Sozialplan häufig Umzugs- oder Fahrtkostenerstattungen angeboten.

2. Gibt es immer einen Sozialplan?

Einen Sozialplan gibt es nur bei größeren Betriebsveränderungen. Er ist Pflicht, wenn

  • das Unternehmen mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt und
  • die Betriebsänderung wesentliche Nachteile für einen erheblichen Teil der Belegschaft mit sich bringt.

Eine betriebsbedingte Kündigung ist stets ein wesentlicher Nachteil. Ob ein erheblicher Teil der Belegschaft betroffen ist, hängt vom Verhältnis zwischen gekündigten Arbeitnehmern und insgesamt Beschäftigten ab. Grundsätzlich müssen mindestens 5 % der Belegschaft betroffen sein. In § 17 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) sind einige Richtwerte festgelegt.

Vorsicht: Besteht die Betriebsänderung allein aus Entlassungen, muss außerdem die Schwelle in § 112a BetrVG überschritten sein. Andernfalls kann der Betriebsrat einen Sozialplan nicht erzwingen.

Für einen Sozialplan muss bereits vor der Betriebsänderung ein Betriebsrat bestanden haben.

Wenn sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht einigen können, kann der Sozialplan über den Spruch einer Einigungsstelle „erzwungen“ werden. Diese stellt dann selbst einen Plan auf.

Achtung: Die Pflicht zum Sozialplan gilt nicht für Neuunternehmen. In den ersten vier Jahren nach ihrer Gründung müssen Betriebe keinen Sozialplan abschließen.

3. Wie profitiere ich von einem Sozialplan?

Ein ausgehandelter Sozialplan ist für den Arbeitgeber verbindlich. Das heißt: Als betroffener Arbeitnehmer haben Sie einen Anspruch auf die geplanten Kompensationen. Meistens ist das die Abfindung.

Ohne sachlichen Grund darf Ihr Arbeitgeber auch keine betroffenen Beschäftigten aus dem Sozialplan ausnehmen.

Beispiel: Ein Arbeitgeber will die Abteilung X verkleinern und deshalb 10 Mitarbeiter des Vertriebs und 10 Mitarbeiter der Verwaltung entlassen. Es ist nicht zulässig, ohne nachvollziehbaren Grund nur die Vertriebsmitarbeiter in den Sozialplan aufzunehmen.

Ein Sonderfall sind leitende Angestellte. Diese können, müssen aber nicht aus dem Sozialplan herausgenommen werden.

Achtung Frist: Achten Sie auf Ausschlussfristen! Oft können Sie Ihre Ansprüche aus dem Sozialplan nur innerhalb einer bestimmten Frist geltend machen. Verpassen Sie diese Frist, haben Sie keinen Anspruch mehr auf die festgelegte Abfindung.

4. Ist der Sozialplan verbindlich?

Nein. Der Sozialplan ist ein Angebot Ihres Arbeitgebers an Sie, das Sie aber nicht annehmen müssen. Es ist sogar besonders wichtig, keine vorschnellen Entscheidungen zu treffen, denn möglicherweise könnte eine deutlich höhere Abfindung für Sie herausspringen.

Die vom Betriebsrat ausgehandelte Abfindung sollten Sie erstmal als Mindestbetrag verstehen. Es steht Ihnen völlig frei, über eine höhere Abfindung zu verhandeln. Sie erleiden dadurch keine Nachteile.

Auch die Kündigung selbst können Sie noch angreifen. Nur weil ein Sozialplan besteht, ist Ihre Kündigung nicht gleich wirksam. Arbeitnehmer dürfen auch nicht wegen einer Kündigungsschutzklage aus dem Sozialplan ausgeschlossen werden. Möglicherweise sind aber „Turboprämien“ außerhalb des Sozialplans für solche Mitarbeiter geregelt, die keine Klage erheben.

5. Sozialplanabfindung nach Punktesystem

Die Höhe der im Sozialplan vereinbarten Abfindung hängt zum einen von den Verhandlungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber ab. Zum anderen bestimmt oft ein Punktesystem, welchen Betrag der jeweilige Mitarbeiter erhält.

Folgende Kriterien berücksichtigt dieses Punktesystem klassischerweise:

  • Alter: Je älter ein Arbeitnehmer ist, desto mehr Punkte erhält er. Dementsprechend steigt die Abfindung mit zunehmendem Alter. Allerdings dreht sich der Effekt bei rentennahen Jahrgängen oft ins Gegenteil. Hier kommen Arbeitgeber und Betriebsrat oft zu dem Schluss, dass diese Mitarbeiter ohnehin bald durch ihre Rente finanziell abgesichert sind und deswegen der „Abfindungstopf“ stärker zugunsten der Belegschaft mittleren Alters verwendet werden sollte.
  • Betriebszugehörigkeit: Mit jedem Jahr, das ein Mitarbeiter im Unternehmen verbracht hat, erhält er mehr Punkte.
  • Unterhalt: Arbeitnehmer mit Familie und unterhaltspflichtigen Kindern erhalten mehr Punkte als Kollegen ohne Unterhaltspflichten.
  • Behinderung: Dasselbe gilt für Mitarbeiter mit einer Schwerbehinderung.

6. Sollte man die Abfindung nachverhandeln?

Viele schrecken vor Nachverhandlungen über die Abfindung zurück. Oft lohnt sich aber der Zeitaufwand! Ein Kündigungsschutzprozess kann nämlich böse für Ihren Arbeitgeber ausgehen. Ist die Klage erfolgreich, muss er Sie für die gesamte Prozessdauer nachbezahlen. Ihr Arbeitgeber hat also ein starkes Interesse daran, einem Kündigungsschutzverfahren zu entgehen. Oft ist er deshalb durchaus zur Zahlung einer höheren Abfindung bereit, wenn Sie dafür auf eine Klage verzichten.

Grundsätzlich gilt: Je niedriger Ihre Abfindung und je höher Ihre Erfolgschancen im Kündigungsschutzprozess, desto eher wird Ihr Arbeitgeber einer höheren Abfindung zustimmen.

Niedrige Abfindung?

Ob Ihre Abfindung hoch oder niedrig ist, lässt sich nicht pauschal beantworten. Wie bereits erklärt, kann die Höhe der Abfindung frei von Betriebsrat und Arbeitgeber ausgehandelt werden. Es gibt keinen festgelegten Mindestbetrag.

In der Praxis hat sich aber eine „Standard-Abfindungshöhe“ etabliert, mit der Sie die Attraktivität Ihrer Sozialplanabfindung zumindest grob (!) einschätzen können:

Jahre der Betriebszugehörigkeit x 0,5 Bruttomonatsgehälter

Sollte Ihre laut Sozialplan vorgesehene Abfindung geringer ausfallen, lohnt sich oft eine Nachverhandlung!

Bestehen Erfolgschancen bei einer Klage?

Betriebsbedingte Kündigungen unterliegen strengen gesetzlichen Voraussetzungen und sind daher sehr fehleranfällig. Folgende Fehler könnten bei Ihnen vorliegen, die Ihre Chancen auf eine höhere Abfindung steigern:

  • Falsche Sozialauswahl: Bei Betriebsänderungen darf Ihr Arbeitgeber nicht frei entscheiden, wen er kündigt. Er muss vielmehr vorrangig die Arbeitnehmer entlassen, die eine Kündigung am ehesten verkraften können. Eine lange Betriebszugehörigkeit spricht z.B. gegen eine Kündigung. Die entsprechenden Unterlagen müssen Ihnen auf Verlangen vorgelegt werden.
  • Betriebsrat nicht angehört: Der Betriebsrat muss zu jeder Kündigung angehört werden. Wird diese Vorschrift vernachlässigt, ist Ihre Kündigung angreifbar.
  • Formfehler bei Massenentlassungen: Besonders Massenentlassungen unterliegen strengen Formvorschriften. Insbesondere muss der Stellenabbau der Agentur für Arbeit angezeigt werden. Mit Hilfe eines erfahrenen Anwalts finden Sie häufig einen Fehler.

7. Wie gehe ich nach einer Kündigung vor?

Wenn Sie eine höhere Abfindung aushandeln oder Ihre Stelle retten möchten, sollten Sie zügig reagieren. Es läuft sowohl die Ausschlussfrist des Sozialplans als auch die dreiwöchige Frist für Kündigungsschutzklagen. So sollten Sie vorgehen:

  • Anwalt beauftragen: Um keine Fehler zu machen, sollten Sie zunächst auf einen erfahrenen Anwalt für Arbeitsrecht zugehen. Dieser kann Ihre Chancen besser einschätzen und Sie durch die Verhandlungen begleiten.
  • Nachverhandeln: Nach der Kündigung können Sie mit Ihrem Arbeitgeber verhandeln. Sie können ihm vertraglich versichern, keine Klage zu erheben und im Gegenzug eine höhere Abfindung erhalten.
Wichtig: So ein Abwicklungsvertrag kann nur innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist abgeschlossen werden.
  • Kündigungsschutzklage: Wenn Sie fristgerecht gegen die Kündigung klagen, kommt häufig ein gerichtlicher Vergleich zustande. Sie lassen dann die Klage fallen und Ihr Arbeitgeber zahlt eine höhere Abfindung.
Achtung: Ein gerichtlicher Prozess birgt auch für Sie Risiken. Entscheiden Sie sich erst nach Absprache mit einem erfahrenen Anwalt für Arbeitsrecht für oder gegen eine Klage.

8. Fazit

  • Ein Sozialplan wird zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ausgehandelt und mindert die Nachteile einer betriebsbedingten Kündigung.
  • Meistens legt der Sozialplan Abfindungen fest. Die Höhe der Abfindung wird durch das Alter, die Dauer der Betriebszugehörigkeit und die Bruttomonatsvergütung der gekündigten Arbeitnehmer beeinflusst.
  • Ihr Arbeitgeber ist an sein Angebot aus dem Sozialplan gebunden, Sie als Arbeitnehmer nicht.
  • Sie können mit Ihrem Arbeitgeber über die Abfindung verhandeln und gegen die Kündigung klagen, ohne dass das Angebot aus dem Sozialplan verloren geht.
  • Je höher die Chancen im Kündigungsschutzprozess und je niedriger die Abfindung, desto eher wird Ihr Arbeitgeber einer höheren Abfindung zustimmen.