Artikel bewerten

Die arbeitsrechtliche Versetzung

Soll der Arbeitnehmer seine Arbeit künftig an einem anderen Arbeitsort verrichten, handelt es sich in der Regel um eine Versetzung. Erfolgt diese nicht im Einvernehmen, stellt sich für den Arbeitnehmer die Frage, ob er sich dagegen wehren kann. Dabei kommt es maßgeblich darauf an, ob die Versetzung überhaupt wirksam ist.

1. Was ist eine Versetzung?

Mittels einer Versetzung kann der Arbeitgeber einseitig eine Änderung der Arbeitsbedingungen eines Arbeitnehmers vornehmen. Die Versetzung kann sich auf den Ort, die Zeit, den Umfang und den Inhalt der Arbeitstätigkeit beziehen. Bei der wohl relevantesten Form der Versetzung ändert der Arbeitgeber den Arbeitsort des Arbeitnehmers. Dabei muss die Versetzung von einer gewissen Dauer sein. Sie darf nicht nur tageweise, sondern muss vielmehr voraussichtlich für mehrere Wochen gelten.
Beispiel: Der bislang in Köln bei einer bundesweit tätigen Supermarktkette eingesetzte Kassierer soll nunmehr in einer Filiale in Frankfurt zur Arbeit erscheinen.

Eine Versetzung obliegt dabei dem Arbeitgeber – und zwar ohne Einverständnis des Arbeitnehmers. Die Befugnis zur Versetzung beruht auf dem Weisungsrecht des Arbeitgebers aus § 106 Gewerbeordnung (GewO). Nach dieser Vorschrift darf der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen. Dies gilt jedoch nicht, sofern der Arbeitsvertrag, eine Betriebsvereinbarung, ein anwendbarer Tarifvertrag oder andere gesetzliche Vorschriften etwas Abweichendes vorsehen.

Das allgemeine Weisungsrecht ist daher nachrangig zu Vereinbarungen, die zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer getroffen werden.

Eine Grenze findet das allgemeine Weisungsrecht auch bei einer mit einer Gehaltskürzung verbundenen Versetzung. Die Gehaltskürzung kann grundsätzlich nicht vom Arbeitgeber einseitig angeordnet werden, sondern bedarf der Zustimmung des Arbeitnehmers.

2. Wann ist eine Versetzung wirksam?

Ob eine Versetzung im Einzelfall wirksam ist, hängt maßgeblich von zwei Faktoren ab. Hierbei ist zwischen der individualvertraglichen Wirksamkeit und der betriebsverfassungsrechtlichen Wirksamkeit zu unterscheiden. Die Versetzung muss nach beiden Kategorien wirksam sein.

Was sieht der Arbeitsvertrag vor?

Die individualvertragliche Wirksamkeit einer Versetzung hängt vom konkreten Arbeitsverhältnis ab. Zur Prüfung muss vorrangig auf den Arbeitsvertrag zurückgegriffen werden. Dieser kann beispielsweise ausdrückliche Regelungen zum Arbeitsort vorsehen oder den Inhalt der Tätigkeit sehr genau beschreiben. Dann wird das Weisungsrecht des Arbeitgebers bei der Wahl des Ortes oder der konkret geforderten Tätigkeit eingeschränkt.

Beispiel: Im Arbeitsvertrag eines Kassierers einer bundesweiten Supermarktkette ist geregelt, dass der Arbeitsort in Filialen im Stadtgebiet Köln ist. Die arbeitsvertraglich geregelte Tätigkeit beschreibt allein diejenige eines Kassierers. Der Vertrag sieht keine Ausnahmen vor.

Ordnet der Arbeitgeber eine Versetzung des Kassierers in eine Filiale in Frankfurt an und sieht die neu vorgegebene Arbeitstätigkeit nunmehr allein Reinigungsaufgaben vor, so steht dies im Widerspruch zum Arbeitsvertrag. Die Versetzung ist damit unwirksam.

Ist der Arbeitsvertrag hingegen allgemeiner gehalten – werden also weder Arbeitsort noch Arbeitstätigkeit näher eingegrenzt – muss der Arbeitsvertrag notfalls ausgelegt werden. Nur so kann bestimmt werden, wie weit der Tätigkeitsbereich des Arbeitnehmers im Arbeitsvertrag beschrieben wird. Je weiter dieser ist, desto umfassender sind die Weisungsbefugnisse des Arbeitgebers.

Innerhalb dieser Grenzen muss der Arbeitgeber seine Weisungsbefugnis dann gem. § 106 GewO im „billigen Ermessen“ ausüben. Was „unbillig“ ist, ist schwer und nur im Einzelfall zu bestimmen. Der Arbeitgeber hat aber jedenfalls die Interessen des Beschäftigten zu wahren sowie nicht willkürlich zu handeln. Die Versetzung muss für den Arbeitnehmer also zumutbar sein.

Nach Auffassung des BAG (Az.: BAG 5 AZR 336/21) ist sogar die Versetzung eines Piloten an einen ausländischen Unternehmensstandort wirksam, obwohl der Arbeitsort laut Arbeitsvertrag „hauptsächlich“ in Nürnberg liegt.
Im oben genannten Beispiel des Kassiers kommt es dagegen nicht darauf an, ob die Weisung „billig“ war. Arbeitsvertragliche Regelungen begrenzen das Weisungsrecht des Arbeitgebers.

Der Arbeitsvertrag kann auch spezielle Versetzungsklauseln vorsehen. In einer solchen Klausel behält sich der Arbeitgeber ausdrücklich vor, den Arbeitnehmer mit gleichwertigen Tätigkeiten zu betrauen oder an einem anderen Arbeitsort einzusetzen.

Versetzungsklauseln können jedoch im Einzelfall unwirksam sein und sollten daher im Fall einer ungewollten Versetzung unbedingt von einem Arbeitsrechtler auf ihre Wirksamkeit überprüft werden.

Hat der Betriebsrat seine Zustimmung erteilt?

Die Versetzung muss jedoch nicht nur aufgrund des Arbeitsverhältnisses bzw. des Weisungsrechts des Arbeitgebers wirksam sein.

Wichtig ist auch, dass der Betriebsrat ordnungsgemäß in das Verfahren eingebunden wird. Eine Versetzung ist nämlich nur dann wirksam, wenn der Betriebsrat ihr zustimmt. Das ist in § 99 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ausdrücklich geregelt.

Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung oder wird er sogar nicht einmal über die Versetzung informiert, so ist die Versetzung auch gegenüber dem Arbeitnehmer unwirksam.

Eine Zustimmung des Betriebsrats ist jedoch bei leitenden Angestellten nicht erforderlich. In diesem Fall muss der Betriebsrat nur über die beabsichtigte Versetzung in Kenntnis gesetzt werden  (§ 105 BetrVG). Wer leitender Angestellter ist, regelt § 5 Abs. 3 BetrVG: Hierbei handelt es sich in der Regel um Angestellte mit großer Entscheidungsfreiheit, die wie Vorgesetzte agieren. Das sind insbesondere Betriebsleiter, Personalleiter oder Prokuristen.

Wann eine Versetzung aus betriebsverfassungsrechtlicher Sicht vorliegt, ist in § 95 Abs. 3 BetrVG gesetzlich geregelt:

Dafür muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsbereich zuteilen und die Zuteilung entweder voraussichtlich länger als einen Monat dauern oder bei einer kürzeren Dauer mit einer erheblichen Änderung der Arbeitsumstände einhergehen. Eine Versetzung liegt dagegen nicht vor, wenn der Arbeitnehmer nach Eigenart des Arbeitsverhältnisses nicht ständig an einem Arbeitsplatz beschäftigt wird.

Der Grund für die Mindestdauer von einem Monat liegt vor allem daran, dass der Arbeitgeber flexibel und ohne Einschaltung des Betriebsrats auf kurzfristige Veränderungen im Unternehmen (z.B. Urlaubs- oder Krankheitsvertretungen) reagieren können soll. Allerdings sind zum Schutz des Arbeitnehmers auch kürzere Versetzungen umfasst, wenn sie für ihn mit erheblichen Veränderungen verbunden sind.

Die Versetzung wird also im Betriebsverfassungsrecht leicht abweichend definiert. Regelmäßig überschneiden sich die Definitionen in ihrem Anwendungsbereich aber, sodass die Feinheiten kaum von Relevanz sind.

Der Betriebsrat darf die Versetzung allerdings nur aus bestimmten Gründen verweigern, die in § 99 Abs. 2 BetrVG aufgezählt werden: Hierzu zählt insbesondere der Fall, dass der Arbeitnehmer benachteiligt wird, obwohl die Versetzung weder aus betrieblichen noch aus persönlichen Gründen gerechtfertigt ist.

Falls der Betriebsrat seine Zustimmung zu der Versetzung zu Unrecht verweigert, kann der Arbeitgeber diese notfalls mittels entsprechenden Antrags durch das Arbeitsgericht ersetzen lassen.

3. Folgen einer unwirksamen Versetzung

Ist die Versetzung unwirksam – sei es, weil der Arbeitgeber sein Weisungsrecht überschritten oder der Betriebsrat der Versetzung nicht zugestimmt hat – ist die Versetzung für den Arbeitnehmer grundsätzlich bedeutungslos. In der Praxis stellt sich die Situation allerdings deutlich komplizierter dar: Ob die Versetzung wirklich unwirksam ist, lässt sich selten eindeutig sagen.

Der Arbeitnehmer weiß daher in der Regel nicht, ob er sich an die Versetzung halten muss oder nicht. Im Falle einer wirksamen Versetzung ändert sich nämlich die geschuldete Tätigkeit des Arbeitnehmers. So muss er beispielsweise seine Dienste an einem anderen Arbeitsort erbringen. Erscheint der Arbeitnehmer bei unklarer Rechtslage bezüglich der Versetzung an seinem ursprünglichen Arbeitsort, weil er von der Unwirksamkeit der Versetzung ausgeht, erbringt er die geschuldete Leistung nicht. In diesem Fall drohen ihm der Verlust des Lohnanspruchs, eine Abmahnung oder gar die Kündigung durch den Arbeitgeber.

Die Frage der Wirksamkeit der Versetzung wird dann regelmäßig erst im nachfolgenden Kündigungsschutzprozess geklärt. Sollte der Arbeitgeber darin Recht behalten, hat der Arbeitnehmer seinen Job riskiert – und verloren. Erweist sich die Versetzung dagegen als unwirksam, gilt dies auch für die nachfolgend ausgesprochene Kündigung. Das Arbeitsverhältnis besteht also fort. Allerdings dürfte das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer infolge des Kündigungsschutzprozesses erheblich belastet sein. Eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist dann meist unausweichlich.

Dem Arbeitnehmer bleibt daher meist nur die Option, die Versetzung unter dem Vorbehalt der gerichtlichen Überprüfung anzunehmen. Er kann dann beim zuständigen Arbeitsgericht eine sogenannte Feststellungsklage erheben. Diese hat das Ziel, dass das Gericht die Unwirksamkeit der Versetzung feststellt.

Ein arbeitsgerichtliches Eilverfahren zur Prüfung der Wirksamkeit der Versetzung kommt dagegen nur ausnahmsweise in Betracht, denn die Arbeitsgerichte halten es für zumutbar, der Versetzung bis zur Überprüfung zunächst einmal Folge zu leisten. Ausnahmen können allenfalls dann vorliegen, wenn die Versetzung offenkundig rechtswidrig ist und/oder besondere, schwerwiegende Nachteile für den Arbeitnehmer drohen.

4. Versetzung vs Änderungskündigung

Verfügt der Arbeitgeber nicht über das notwendige Weisungsrecht, um die Versetzung einseitig anzuordnen, droht dem Arbeitnehmer unter Umständen eine Änderungskündigung. Hierbei kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis und bietet dem gekündigten Arbeitnehmer zugleich einen neuen Arbeitsvertrag zu geänderten Arbeitsbedingungen an. Diese Form der Kündigung ist in § 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) ausdrücklich vorgesehen.

Allerdings muss auch eine Änderungskündigung durch den Arbeitgeber verhältnismäßig sein. Insbesondere darf der Arbeitgeber nur solche Änderungen anbieten, die aus seiner Sicht absolut erforderlich sind. Im Einzelfall kann zudem die Zustimmung des Betriebsrats erforderlich sein, insbesondere wenn die Änderungskündigung dasselbe Ziel wie eine Versetzung verfolgt.

Eine Änderungskündigung darf ausnahmsweise durch Arbeitnehmer unter dem Vorbehalt angenommen werden, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist. Im Rahmen einer Änderungsschutzklage kann er dann nahezu risikolos klären lassen, ob die Änderung sozial ungerechtfertigt ist. Ist das der Fall, so besteht der Vertrag zu den alten Bedingungen fort. Andernfalls gilt der neue Arbeitsvertrag.

5. Fazit

  • Mit der Versetzung kann der Arbeitgeber einseitig die Arbeitsbedingungen des Arbeitnehmers ändern. Davon sind insbesondere Arbeitszeit, -ort, -umfang und -inhalt betroffen.
  • Die Befugnis zur Versetzung folgt aus dem Weisungsrecht des Arbeitgebers. Dieses kann jedoch durch vorrangige arbeits- oder kollektivvertragliche Regelungen begrenzt sein.
  • Die Wirksamkeit einer Weisung hängt von zwei Faktoren ab:
    • Maßgeblich für die Überprüfung der individualvertraglichen Wirksamkeit sind die Regelungen des Arbeitsverhältnisses und die Zumutbarkeit für den Arbeitnehmer.
    • Für die betriebsverfassungsrechtliche Wirksamkeit muss der Betriebsrat der Versetzung zustimmen.
  • Ist die Versetzung unwirksam oder bezweifelt der Arbeitnehmer die Wirksamkeit, so empfiehlt sich eine gerichtliche Klärung.
  • Fehlt dem Arbeitgeber das einseitige Weisungsrecht, kann er eine Änderungskündigung aussprechen. Gegen diese kann sich der Arbeitnehmer jedoch nahezu risikolos wehren.