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Auszahlen und Abfeiern von Resturlaub bei (fristloser) Kündigung

Laut Bundesurlaubsgesetz stehen jedem Arbeitnehmer mindestens 20 Tage Urlaub pro Kalenderjahr zur Verfügung. Im Arbeitsvertrag lassen sich jedoch höhere Werte vereinbaren, sodass der Durchschnitt bei etwa 28 Urlaubstagen liegt. Aber wie sieht es nach einer Kündigung mit den verbleibenden Urlaubstagen aus? Kann man den verbleibenden Urlaub beanspruchen und welche Alternativen bestehen?

1. Urlaubstage nach einer Kündigung: Bleiben alle Urlaubstage erhalten?

Der Mindesturlaubsanspruch ist im Bundesurlaubsgesetz geregelt und gilt unabhängig von etwaigen vertraglichen Regelungen. Typisch ist jedoch eine explizite Vereinbarung der Urlaubstage im Arbeitsvertrag. Dies ist immer dann zulässig, wenn der Mindesturlaubsanspruch nicht unterschritten wird.

Der Mindesturlaubsanspruch richtet sich nach der Anzahl der wöchentlichen Arbeitstage:

  • 4-Tage-Woche: 16 Tage Mindesturlaub
  • 5-Tage-Woche: 20 Tage Mindesturlaub
  • 6-Tage-Woche: 24 Tage Mindesturlaub

Eine Kündigung ändert nichts an den bestehenden Urlaubsansprüchen. Der Resturlaub bleibt nach einer Kündigung somit in der Höhe erhalten, in der er auch regulär bestanden hätte.

Ob die Kündigung vom Arbeitgeber oder Arbeitnehmer ausgesprochen wurde, ist für den Urlaubsanspruch nach der Kündigung nicht von Bedeutung. Gleiches gilt im Hinblick auf den Kündigungsgrund. Sowohl bei einer betriebsbedingten als auch bei einer verhaltens- und personenbedingten Kündigung wird Arbeitnehmern der vorab vereinbarte Urlaub gewährt.

Achtung: Urlaub muss grundsätzlich im laufenden Jahr genommen werden. Der Resturlaub kann somit bereits am 01.01. des Folgejahres verfallen. Eine Übertragung älterer Urlaubsansprüche ist nur unter besonderen Umständen bis zum 31.03. des Folgejahres möglich, sofern der Arbeitsvertrag nicht ausnahmsweise eine längere Frist gestattet.

Urlaubsansprüche verfallen allerdings lt. aktueller Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 20.12.2022 – 9 AZR 266/20) und unabhängig von diesen Fristen nur dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer

  • auf den vorhandenen Resturlaub aufmerksam gemacht und
  • ihn konkret aufgefordert hat, diesen zu nehmen und
  • ihn unmissverständlich darauf hingewiesen hat, dass der Urlaubsanspruch ansonsten verfällt.

2. Mehr Resturlaub in der zweiten Jahreshälfte: Welchen Unterschied macht der Kündigungszeitpunkt?

Grundsätzlich stehen Arbeitnehmern die Urlaubstage zur Verfügung, die für den Arbeitszeitraum vorgesehen sind.

Beispiel: Wenn ein Arbeitnehmer 30 Urlaubstage pro Jahr hat und zum 31.03. kündigt, so steht ihm der Urlaubsanspruch lediglich anteilig zur Verfügung.

Bei einem jährlichen Urlaubsanspruch von 30 Tagen entspricht dies einem monatlichen Urlaubsanspruch von 2,5 Tagen. Somit würden dem Arbeitnehmer in diesem Beispielsfall 7,5 Tage Resturlaub (aufgerundet = 8 Tage) verbleiben.

Hinweis: Nach § 5 Abs. 2 BUrlG (Bundesurlaubsgesetz) sind Bruchteile von Arbeitstagen, die mindestens einen halben Tag betragen, auf volle Urlaubstage aufzurunden.

Die Methode der exakten Berechnung findet jedoch nur in der ersten Jahreshälfte – also bei einer Kündigung bis zum 30.06. – Anwendung. Wird die Kündigung hingegen zum 31.07. ausgesprochen, stehen dem Arbeitnehmer nicht nur 7 x 2,5 Tage Resturlaub zur Verfügung. Stattdessen sind Arbeitgeber verpflichtet, den kompletten Jahresurlaub zu gewähren. In diesem Fall hätte der Arbeitnehmer 30 Tage Urlaub. Voraussetzung ist allerdings, dass der Arbeitnehmer am 01.01. bereits im Unternehmen angestellt war.

Die Urlaubstage stehen dabei selbstverständlich nur in der Höhe zur Verfügung, die bis zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Betrieb noch nicht genommen wurden.

Tipp: Wurde bei einer Kündigung in der ersten Jahreshälfte bereits mehr Urlaub genommen als in dieser Zeit Urlaubsansprüche entstanden sind, müssen diese Tage dem Arbeitgeber gem. § 5 Abs. 3 BUrlG nicht ersetzt werden.

Bei einer Kündigung im laufenden Kalenderjahr können die Urlaubstage verfallen, die über den Mindesturlaubsanspruch von 20 Tagen bei einer 5-Tage-Woche hinausgehen. Dies muss allerdings explizit im Arbeitsvertrag festgehalten sein: Eine sog. Pro-rata-temporis-Regel sieht dann vor, dass der vereinbarte Zusatzurlaub lediglich zeitanteilig erfolgt.

Beispiel: Bei 20 Tagen Mindesturlaub und einem 10-tägigen Zusatzurlaub beläuft sich der Urlaubsanspruch zum 31.08. beispielsweise lediglich auf 20 Tage. Da dies dem gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch nicht entgegensteht, ist die entsprechende Regel im Arbeitsvertrag nicht zu beanstanden. In diesem Beispiel würde der Urlaubsanspruch bei einer Kündigung zum 31.07. ebenfalls 20 Tage betragen, da eine Unterschreitung des Mindesturlaubs nicht möglich ist.

Infografik: Auszahlung oder Abfeiern von Resturlaub bei (fristloser) Kündigung

3. Urlaub nehmen oder auszahlen lassen

Grundsätzlich dürfen Arbeitnehmer vor dem Ausscheiden aus dem Betrieb ihren restlichen Urlaub nehmen. Es gibt jedoch verschiedene Konstellation, in denen dies nicht möglich ist, sodass eine Abgeltung (Auszahlung) der Urlaubsansprüche in Betracht kommt:

  • Es handelt sich um eine fristlose Kündigung.
  • Betriebliche Erfordernisse erfordern die Anwesenheit des Arbeitnehmers

Im Rahmen einer fristlosen Kündigung ist es schlichtweg unmöglich, noch verbleibenden Resturlaub vor dem Ende der Beschäftigung zu nehmen.

Dringende betriebliche Gründe, die einer Gewährung des verbleibenden Urlaubsanspruchs entgegenstehen, muss der Arbeitgeber rechtfertigen

  • Bei anspruchsvollen Tätigkeiten kann dies die Einarbeitung eines Nachfolgers sein.
  • Ein erhöhter Arbeitsbedarf hingegen muss konkret belegt werden. Dieser kann beispielsweise bestehen, wenn ein Kollege erkrankt ist oder aber eine Kollegin aufgrund einer Schwangerschaft ausfällt.

Die Urlaubsabgeltung bei einer Kündigung ist gem. § 7 Abs. 4 BUrlG vorgesehen. Die Höhe des Urlaubsentgelts bemisst sich gem. § 11 Abs. 1 BUrlG am durchschnittlichen Arbeitsverdienst der letzten 13 Wochen vor Beginn des Urlaubs.

Rechenbeispiel: Der Arbeitnehmer hat im Januar 3.000 Euro verdient, im Februar und März hingegen jeweils 3.500 Euro. Insgesamt lag der Verdienst in den 13 Wochen bei 10.000 Euro.

Vereinfacht wird der Wert durch 65 geteilt (entspricht 13 Wochen einer 5-Tage-Woche) und es ergibt sich ein Urlaubsentgelt von 153,85 Euro pro Tag.

Bei einer 40-Stunden Woche wird der Betrag durch 8 (Stunden am Tag) geteilt. Somit liegt das Urlaubsentgelt pro Stunde bei 19,23 Euro.

Achtung: Die Ausgleichszahlung für die Urlaubstage muss versteuert werden. Das zusätzliche Einkommen kann somit zu einer Erhöhung der gesamten Steuerlast führen.

4. Abgeltung der Urlaubsansprüche durch Freistellung

Je nach Tätigkeitsbereich ist es üblich, Mitarbeiter nach einer Kündigung für die verbleibende Zeit bis zum Austrittsdatum freizustellen.

In diesem Fall kann der Arbeitgeber mitteilen, dass der restliche Urlaubsanspruch mit der Freistellung abgegolten werden soll. Ohne diesen Zusatz bleibt der Urlaubsanspruch bestehen und Arbeitnehmer können eine Abgeltung des Resturlaubs verlangen.

Das Bundesarbeitsgericht wies in einem 2020 ergangenen Urteil (BAG 9 AZR 612/19) darauf hin, dass Arbeitgeber der Gewährung von Urlaubsansprüchen in ausreichendem Maße nachkommen, wenn Arbeitnehmer unmissverständlich von der Anwesenheit im Betrieb ausgenommen sind. Im konkreten Fall hatte der Arbeitgeber neben einer fristlosen Kündigung hilfsweise die ordentliche Kündigung erklärt und den Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht befreit.

5. Urlaubsabgeltung bei Krankheit und Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Ausscheidende Arbeitnehmer nehmen ihren Resturlaub oftmals am Ende des Beschäftigungszeitraums und verlassen dadurch das Unternehmen noch einige Tage früher. Kann ein Arbeitnehmer diesen Urlaub wegen Krankheit nicht nehmen, so kann er sich die verbleibenden Urlaubstage auszahlen lassen.

Rechenbeispiel: Bei einem Arbeitseinkommen von 4.000 Euro pro Monat ergibt sich wie folgt ein tägliches Urlaubsentgelt von 184,62 Euro:

4.000 Euro (monatliches Einkommen) x 3 (Monate; entspricht 13 Wochen) / 65 (Arbeitstage innerhalb des Zeitraums bei einer 5-Tage-Woche) = 184,62 Euro

Überstundenzahlungen sowie Kurzarbeitergeld oder sonstige Sonderbezüge werden in diesem Fall nicht zusätzlich berücksichtigt.

Kommt es aufgrund einer dauerhaften Arbeitsunfähigkeit zur Kündigung, können Arbeitnehmer den Ihnen zustehenden Urlaub nicht bereits in den ersten 3 Monaten des Folgejahres nehmen. Dies soll jedoch nicht dazu führen, dass der Urlaubsanspruch verfällt. Gleichzeitig muss verhindert werden, dass die Urlaubsansprüche bei einer dauerhaften Erkrankung ins Unendliche laufen. Laut einheitlicher europäischer und deutscher Rechtsprechung verfallen Urlaubsansprüche in diesem Fall 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres (vgl. Entscheidung des BAG 2012: Az. 9 AZR 353/10).

6. Resturlaub und Überstunden nach einer Kündigung

Nach einer Kündigung bleiben von Arbeitnehmern gesammelte Überstunden zunächst erhalten und verfallen nicht automatisch. Je nach Regelung im Arbeitsvertrag sind diese Überstunden in Geld oder Freizeit auszugleichen.

Sofern ein Freizeitausgleich – z.B. aufgrund besonderer Umstände oder der Menge an Überstunden – nicht mehr möglich ist, müssen diese ebenfalls abgegolten werden.

Achtung: Im Arbeitsvertrag kann auch geregelt sein, dass Mehrarbeit in geringem Umfang bereits mit dem Gehalt abgegolten wird. In diesem Fall stehen Arbeitnehmern keine weitergehenden Ansprüche gegen den Arbeitgeber zu.

7. Urlaubsabgeltung rechtzeitig anzeigen: Diese Fristen gelten

Bei Kündigungen greifen zunächst die allgemeinen gesetzlichen Verjährungsvorschriften der §§ 195, 199 BGB. Danach verjähren Ansprüche innerhalb von 3 Jahren zum Jahresende. Von dieser Regelung wird in der Praxis jedoch nahezu immer abgewichen.

In Tarif- und Arbeitsverträgen finden sich Klauseln, die die Geltendmachung von Ansprüchen, wie der Auszahlung von Resturlaub, innerhalb von 2 bis 3 Monaten erfordern. Arbeitnehmer sollten daher bei einer Kündigung möglichst schnell einen Blick in den eigenen Arbeitsvertrag und damit verbundene Tarifverträge werfen.

8. Exkurs: Welchen Einfluss hat ein Aufhebungsvertrag auf bestehenden Resturlaub?

Der Aufhebungsvertrag stellt eine Alternative zur Kündigung dar. Durch den Aufhebungsvertrag wird das Arbeitsverhältnis insgesamt aufgehoben, sodass beide Parteien umfassende Rechte zur Vertragsgestaltung haben. Arbeitnehmer können in einem Aufhebungsvertrag somit auf sämtliche Ansprüche verzichten. Dies gilt auch für die Auszahlung von Resturlaub. Der gesetzlich gewährte Mindesturlaubsanspruch lässt sich auf diese Weise allerdings nicht ausschließen.

Ein Aufhebungsvertrag verschafft Arbeitgebern ein hohes Maß an Rechtssicherheit. Arbeitnehmer sollten daher nicht vorschnell auf alle gegenseitigen Ansprüche verzichten. Es ist jedoch möglich, eine höhere Abfindung auszuhandeln und im Gegenzug den finanziellen Ausgleich für noch bestehenden Resturlaub auszuschließen (vgl. Urteil des BAG 2013: Az. 9 AZR 844/11).

9. Fazit

  • Für bestehende Urlaubsansprüche spielt es keine Rolle, ob ein Arbeitsverhältnis ordentlich oder fristlos/außerordentlich gekündigt wird.
  • Arbeitnehmern steht der Jahresurlaub anteilig für die Monate zu, die sie im Unternehmen tätig waren. Darüber hinaus bereits genommener Urlaub kann nicht zurückgefordert werden.
  • Bei einer Kündigung nach dem 30.06. müssen Arbeitgeber den gesamten Jahresurlaub gewähren.
  • Grundsätzlich müssen Arbeitnehmer die Möglichkeit bekommen, gewährten Urlaub vor dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses nehmen zu können. Ist dies nicht möglich, wird verbleibender Resturlaub durch eine Ausgleichszahlung abgegolten.
  • Im Rahmen eines Aufhebungsvertrags sollten Arbeitgeber und Arbeitnehmer konkrete Regeln zum Umgang mit dem Resturlaub treffen.