Rechte des Betriebsrats bei Insolvenz

Die Insolvenz des Arbeitgebers ist für Arbeitnehmer ein Grund zur Sorge. Gerade in dieser Situation hat der Betriebsrat wichtige Aufgaben. Welche besonderen Regeln im Insolvenzverfahren für den Betriebsrat gelten, erklären wir Ihnen in diesem Beitrag.

1. Was passiert bei Bestellung eines Insolvenzverwalters?

Wenn über das Vermögen eines Unternehmers die Insolvenz eröffnet wird, ernennt das zuständige Gericht zugleich einen Insolvenzverwalter. Dieser soll das Vermögen des Schuldners zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung (Insolvenzmasse) verwalten und gerecht an die Gläubiger verteilen.

Der Insolvenzverwalter tritt dafür in die Rechtsstellung des Arbeitgebers ein. Das bedeutet: Er übernimmt die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers gegenüber den Arbeitnehmern. Dasselbe gilt für die Beziehung zum Betriebsrat.

Anstelle des eigentlichen Arbeitgebers ist nun also grundsätzlich der Insolvenzverwalter Ansprechpartner für den Betriebsrat.

Die Rechtsstellung des Betriebsrats wird durch die Insolvenzeröffnung grundsätzlich nicht verändert. Es bestehen also weiterhin bestimmte Rechte auf Information, Mitwirkung oder Mitbestimmung.

2. Was gilt bei Insolvenz in Eigenverwaltung?

Weniger Besonderheiten ergeben sich beim Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung. Hier behält der Arbeitgeber seine Rolle, darf nach wie vor Kündigungen selbst aussprechen und bleibt Ansprechpartner des Betriebsrats. Gelegentlich ordnet das Gericht allerdings an, dass die Gläubiger Entlassungen zustimmen müssen.

Soweit in diesem Text vom Insolvenzverwalter die Rede ist, betrifft dies im Falle der Eigenverwaltung grundsätzlich den Arbeitgeber.

3. Welche Beteiligungsrechte hat der Betriebsrat in der Insolvenz?

Der Betriebsrat ist insbesondere an Betriebsänderungen zu beteiligen, die im Rahmen der Insolvenz umgesetzt werden sollen.

Wenn Betriebsänderungen geplant und im Unternehmen mehr als 20 Mitarbeiter beschäftigt sind, muss der Arbeitgeber den Betriebsrat in der Regel zunächst informieren und danach mit ihm über die Betriebsänderung beraten (§§ 111 – 113 BetrVG). Das gilt auch im Insolvenzverfahren. Dann trifft die Pflicht zur Information und Beratung den Insolvenzverwalter.

Die Insolvenzeröffnung selbst ist keine Betriebsänderung. Oft finden aber im Zuge des Insolvenzverfahrens andere Maßnahmen statt, die als Betriebsänderungen gelten. In der Praxis am häufigsten ist der Fall, dass die Gläubigerversammlung sich dazu entscheidet, den Betrieb stillzulegen. Auch Massenentlassungen sind eine Betriebsänderung.

Wenn eine Betriebsänderung bzw. Stilllegung geplant sind, muss der Insolvenzverwalter darüber mit dem Betriebsrat beraten.

Dabei geht es insbesondere um zwei Dinge:

  1. Interessenausgleich: Im Interessenausgleich einigen sich Insolvenzverwalter und Betriebsrat auf Art und Ausmaß der Betriebsänderung. Beispielsweise wird vereinbart, wann und wie viele Mitarbeiter entlassen werden.
  2. Sozialplan: Beim Sozialplan geht es nicht mehr um die Betriebsänderung selbst, sondern nur noch um eine Abmilderung von deren Folgen. Bei Stilllegungen werden beispielsweise meistens Abfindungen vereinbart.

Die Beteiligung des Betriebsrats bei Betriebsänderungen besteht im Normalfall aus den folgenden Schritten (§ 112 BetrVG):

  1. Rechtzeitige Information des Betriebsrats über die geplante Betriebsänderung
  2. Auf Antrag: Vermittlung durch den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit
  3. Auf Antrag: Vermittlungsverfahren vor der Einigungsstelle

Wenn in diesem Verfahren keine Einigung über den Sozialplan zustande kommt, erstellt die Einigungsstelle einen Sozialplan. Über den Interessenausgleich hingegen kann eine Einigung nicht erzwungen werden. Es hat aber negative Konsequenzen für den Arbeitgeber bzw. Insolvenzverwalter, wenn darüber keine Verhandlungen stattfinden. Arbeitnehmer können dann unter bestimmten Voraussetzungen vor Gericht eine Abfindung oder Schadensersatz einklagen (§ 113 Abs. 3 BetrVG).

Für dieses Beteiligungsverfahren gelten im Zusammenhang mit der Insolvenz einige Besonderheiten. Dazu erfahren Sie genaueres im nächsten Abschnitt.

Der Insolvenzverwalter muss außerdem – wie zuvor der Arbeitgeber – den Betriebsrat vor jeder Kündigung anhören. Ohne diese Anhörung ist die Kündigung unwirksam und kann vor Gericht angegriffen werden.

4. Welche Besonderheiten gelten bei einer Insolvenz für Interessenausgleich und Sozialplan?

Damit das Insolvenzverfahren zügig ablaufen kann, gibt es bestimmte Sonderregeln für die Verhandlungen über Interessenausgleich und Sozialplan. Die Insolvenzordnung (InsO) gibt dem Insolvenzverwalter insbesondere Möglichkeiten, die Verhandlungen abzukürzen.

Interessenausgleich bei Insolvenz

Wenn sich Insolvenzverwalter und Betriebsrat nicht auf einen Interessenausgleich einigen können, kann sich der Insolvenzverwalter direkt an die Einigungsstelle wenden. Denn nach § 121 InsO findet das Vermittlungsverfahren bei Betriebsänderungen nur statt, wenn Betriebsrat und Insolvenzverwalter dies gemeinsam beantragen. Der Insolvenzverwalter kann das Vermittlungsverfahren also eigenmächtig „überspringen“, indem er von einem Antrag absieht. Außerhalb vom Insolvenzverfahren kann der Betriebsrat diesen Antrag auch allein stellen.

Der Insolvenzverwalter kann auch beide Beteiligungsschritte, – Vermittlungsverfahren und die Beteiligung der Einigungsstelle – überspringen und gleich mit der Betriebsänderung beginnen. Dazu müssen zwei Voraussetzungen vorliegen:

  1. Drei Wochen nach der Information des Betriebsrats über die Betriebsänderung wurde keine Einigung über den Interessenausgleich erzielt, bzw. der Betriebsrat ist der Aufforderung zu Verhandlungen drei Wochen lang nicht gefolgt.
  2. Das zuständige Gericht erklärt auf Antrag des Insolvenzverwalters die Zustimmung zur Betriebsänderung.

Das zuständige Gericht stimmt diesem Verfahren zu, wenn es für die wirtschaftliche Lage des Unternehmens notwendig ist. Dabei geht es um die Frage, ob die Insolvenzmasse durch das lange Verfahren erheblich reduziert würde. Dann ginge nämlich das Interesse der Insolvenzgläubiger vor, ihr Geld aus der Masse zu erhalten.

Hierzu folgendes Beispiel: Über das Vermögen des Unternehmers U wurde die Insolvenz eröffnet. Die Gläubigerversammlung beschließt die Stilllegung des Betriebs. Nachdem der Insolvenzverwalter drei Wochen lang vergeblich mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich verhandelt hat, beantragt er beim zuständigen Gericht die Zustimmung zur Stilllegung ohne Vermittlungsverfahren oder Beteiligung der Einigungsstelle.
 
Das Gericht stimmt mit folgendem Argument zu: Das Vermittlungs- bzw. Einigungsverfahren würde voraussichtlich mindestens drei Monate andauern. Durch diese Verzögerung der Stilllegung würde die gesamte Insolvenzmasse durch die Bezahlung der Arbeitnehmer aufgebraucht. Im Interesse der Insolvenzgläubiger ist hier die direkte Stilllegung zulässig.

Sozialplan bei Insolvenz

Auch bei den Verhandlungen über den Sozialplan gilt, dass das Vermittlungsverfahren ohne Zustimmung des Insolvenzverwalters nicht stattfindet (§ 121 InsO). Es bleibt dem Betriebsrat aber in jedem Fall möglich, die Einigungsstelle anzurufen und so einen Sozialplan zu erzwingen. Diesen Verfahrensschritt kann der Insolvenzverwalter nicht umgehen. Das muss er aber auch nicht, da der Sozialplan ohne rechtliche Nachteile auch nach Beginn der Betriebsänderung vereinbart werden kann. Hier besteht also kein besonderer Zeitdruck.

Auch für den Inhalt des Sozialplans gibt es im Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren bestimmte Besonderheiten. Je nachdem, wann der Sozialplan beschlossen wurde, gelten unterschiedliche Vorgaben für dessen Inhalt.

Es kann zwischen drei Arten von Sozialplänen unterschieden werden:

  1. Insolvenzsozialplan: Wenn der Sozialplan nach Beginn des Insolvenzverfahrens vereinbart wird, dürfen die darin festgelegten Abfindungen nicht mehr als jeweils zweieinhalb Monatsgehälter pro entlassenen Mitarbeiter betragen (§ 123 Abs. 1 InsO). Außerdem dürfen die Abfindungssummen nicht mehr als ein Drittel der Insolvenzmasse betragen. Wenn die Abfindungen einen größeren Teil einnehmen, sind sie anteilig zu kürzen.
    Hierzu folgendes Beispiel: Die Insolvenzmasse beträgt 150.000 €. Die im Sozialplan vorgesehenen Abfindungen betragen insgesamt 100.000 €. Damit ist die Grenze vom einem Drittel (50.000 €) um das zweifache überschritten. Deshalb sind die Abfindungen jeweils um die Hälfte zu kürzen. Ein Arbeitnehmer, der eigentlich 5.000 € als Abfindung erhalten hätte, bekommt jetzt 2.500 €.
  2. Insolvenznaher Sozialplan: Wenn der Sozialplan nicht früher als drei Monate vor Insolvenzeröffnung vereinbart wurde, können der Insolvenzverwalter oder der Betriebsrat den Sozialplan widerrufen (§ 124 Abs. 1 InsO). Für den Betriebsrat hat dies zum Beispiel den Vorteil, dass Abfindungsansprüche aus einem neuen (nach Insolvenzeröffnung vereinbarten) Insolvenzplan Masseverbindlichkeiten sind und deshalb nicht wie Insolvenzforderungen einer Quote unterliegen.

    Zum Unterschied:

    • Masseverbindlichkeiten werden vorrangig bedient. In aller Regel erhalten Arbeitnehmer 100% ihrer Abfindung, wenn diese eine Masseverbindlichkeit ist.
    • Insolvenzforderungen werden nur erfüllt, soweit nach Begleichung aller Masseverbindlichkeiten noch Mittel vorhanden sind. Mehr als 10% des eigentlichen Betrags sind kaum realistisch.
  3. Frühere Sozialpläne: Wenn der Sozialplan früher als drei Monate vor Insolvenzeröffnung vereinbart wurde, gelten inhaltlich keine besonderen Vorgaben. Die Abfindungen sind allerdings Insolvenzforderungen. Wurden die Zahlungen bereits geleistet, besteht die Gefahr, dass sie rückwirkend vom Verwalter angefochten werden.

5. Kann ein Betriebsrat auch noch während des Insolvenzverfahrens gewählt werden?

Möglicherweise kommt die Belegschaft erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf die Idee, einen Betriebsrat zu gründen. Gerade in dieser Zeit ist es schließlich wichtig, dass eine Interessenvertretung für die Arbeitnehmer besteht. Ohne Betriebsrat kein Sozialplan und Interessenausgleich.

Auch in diesem Fall hat der Betriebsrat die gleichen Rechte wie ein vor der Insolvenzeröffnung gewählter Betriebsrat. Insbesondere müssen die Informations- und Mitbestimmungsrechte bei Betriebsänderungen beachtet werden.

6. Was passiert bei Stilllegung des Betriebs?

In vielen Fällen entscheidet sich die Gläubigerversammlung, den Betrieb des verschuldeten Arbeitgebers stillzulegen. Der Betriebsrat hat dann ein sogenanntes Restmandat (vgl. § 21b BetrVG). Das bedeutet, die Betriebsräte bleiben noch so lange im Amt, wie es für die Wahrnehmung der Interessenvertretung notwendig ist. Der Betriebsrat mit Restmandat überwacht insbesondere die Durchführung von Interessenausgleich und Sozialplan.

Auch Betriebsratsmitglieder, die schon bei einem neuen Arbeitgeber beschäftigt sind, behalten für diese Zeit ihr Mandat. Sie können sogar vom neuen Arbeitgeber eine Freistellung für ihre Tätigkeit als Betriebsrat verlangen.

Grundsätzlich ist auch denkbar, dass die Belegschaft erst in der Phase der Stilllegung einen Betriebsrat wählt. Das ist zwar grundsätzlich möglich, der Betriebsrat kann dann aber unter Umständen keinen Sozialplan mehr verlangen.

Hierzu folgendes Beispiel (angelehnt an BAG, Urteil v. 20.04.1982, 1 ABR 3/80): Arbeitnehmer A ist in einem Unternehmen mit 40 Mitarbeitern aber ohne Betriebsrat angestellt. Über das Vermögen seines Arbeitgebers wird die Insolvenz eröffnet. Die Gläubigerversammlung entscheidet sich dazu, den Betrieb stillzulegen. Direkt im Anschluss werden die ersten Kündigungen ausgesprochen. A und seine Kollegen entscheiden sich in dieser Phase dazu, einen Betriebsrat zu wählen. Der frisch gewählte Betriebsrat verlangt vom Insolvenzverwalter die Beratung über einen Sozialplan; dieser lehnt ab. Deshalb zieht der Betriebsrat vor Gericht und verlangt die Feststellung, dass die Einigungsstelle einen Sozialplan aufstellen muss.

Das Gericht weist die Klage ab. Nachdem die Stilllegung beschlossen und in Gang gesetzt wurde, kann der Betriebsrat keinen Sozialplan mehr verlangen. Das gilt sogar, wenn der Arbeitgeber von der bevorstehenden Wahl wusste.

7. Welchen Kündigungsschutz haben Betriebsräte in der Insolvenz?

Betriebsräte genießen einen hohen Kündigungsschutz: Ihnen kann nur außerordentlich (insbes. bei schwerem Fehlverhalten) oder im Rahmen einer Betriebsschließung gekündigt werden. Dies gilt auch während des Insolvenzverfahrens. Insoweit gelten daher keine Besonderheiten.

8. Fazit

  • Der Betriebsrat behält auch nach Insolvenzeröffnung sein Mandat.
  • Nach Insolvenzeröffnung muss der Insolvenzverwalter die Informations- und Beteiligungspflichten des Betriebsrats berücksichtigen, insbesondere bei Kündigungen und Betriebsänderungen.
  • Bei der Beratung über Interessenausgleich und Sozialplan im Insolvenzverfahren findet ein Vermittlungsverfahren nur statt, wenn Betriebsrat und Insolvenzverwalter dies zusammen beantragen.
  • Der Insolvenzverwalter kann bei der Verhandlung über den Interessenausgleich zusätzlich das Verfahren vor der Einigungsstelle überspringen, wenn das zuständige Gericht dies zulässt.
  • Wenn der Sozialplan nach Insolvenzeröffnung vereinbart wurde, gelten Obergrenzen für die darin vereinbarten Abfindungen.
  • Wenn der Sozialplan nicht mehr als drei Monate vor Insolvenzeröffnung vereinbart wurde, können Betriebsrat oder Insolvenzverwalter ihn widerrufen.
  • Ein Betriebsrat kann auch noch während des Insolvenzverfahrens gewählt werden.
  • Bei Stilllegung des Betriebs behält der Betriebsrat ein sogenanntes Restmandat. Wird er erst nach Ingangsetzen der Stilllegung gewählt, kann er keinen Sozialplan mehr erzwingen.