Benachteiligung von Betriebsräten: Das sind die fünf häufigsten Verstöße

Betriebsräte sollen durch ihr Amt keine Nachteile erleiden. Deshalb dürfen sie vom Chef gegenüber anderen Mitarbeitern nicht schlechter behandelt werden. Wann aber spricht man von einer unzulässigen Benachteiligung? Wir erklären die fünf häufigsten Fälle.

1. Was ist das Benachteiligungsverbot?

Betriebsratsmitglieder stehen in einem besonderen Spannungsverhältnis zum Arbeitgeber. Schließlich vertreten sie ihm gegenüber die Interessen der Arbeitnehmer, die häufig gegenläufig zu denen des Arbeitgebers sind. Naturgemäß machen sie sich beim Chef daher schnell unbeliebt. Die Betriebsräte sollen aber nicht befürchten müssen, deshalb sanktioniert zu werden. Eine effektive Vertretung der Arbeitnehmerinteressen wäre ansonsten nicht möglich.

Aus diesem Grund ist in § 78 S. 2 BetrVG geregelt, dass Arbeitnehmer aufgrund ihrer Tätigkeit im Betriebsrat nicht benachteiligt werden dürfen. Wann eine solche Benachteiligung vorliegt, erklären wir in diesem Artikel.

Vorab: Das Benachteiligungsverbot wird häufig falsch verstanden. Es dient nicht dazu, jeden Nachteil auszugleichen, der ein Betriebsratsmitglied trifft. Insbesondere sind Maßnahmen hinzunehmen, die für alle Arbeitnehmer gleichermaßen gelten.
Beispiel: Einem freigestellten Betriebsrat sind nicht die Kosten für die Fahrt zum Betrieb zu erstatten. Diese würden ihm nämlich auch entstehen, wenn er nicht Mitglied des Betriebsrats wäre.

Derartige Nachteile sind nicht nur hinzunehmen, ihr Ausgleich durch den Arbeitgeber ist sogar verboten. Er darf den Betriebsrat nämlich gegenüber anderen Arbeitnehmern nicht begünstigen.

Daher ist wichtig zu wissen: Die Scheu vor Benachteiligungen des Betriebsrats darf nicht zu einer Besserstellung gegenüber anderen Mitarbeitern führen.

2. Fünf Beispiele für die Benachteiligung von Betriebsräten

Besonders geschützt sind Betriebsratsmitglieder natürlich vor Kündigungen. Dies ist eigens im sog. Sonderkündigungsschutz geregelt und wird nicht als Teil des Benachteiligungsverbots verstanden.

Geringeres Gehalt

Es wäre dem Arbeitgeber ein Leichtes, Betriebsratsmitglieder durch eine Herabsetzung ihres Gehalts für ihre Arbeit zu sanktionieren. Das ist allerdings nicht zulässig.

Mitglieder des Betriebsrats – egal ob freigestellt oder nicht ­­– sind nämlich immer so zu bezahlen, wie vergleichbare Arbeitnehmer, die nicht im Betriebsrat sind.

Dies wird speziell in § 37 Abs. 4 BetrVG geregelt.

Beispiel: A, B und C arbeiten als Fahrzeugmechatroniker für ihren Arbeitgeber. B wird 2018 in den Betriebsrat gewählt. 2019 erhöht der Arbeitgeber die Gehälter von A und C um 3%. B hingegen erhält keine Erhöhung. Dies verstößt in aller Regel gegen das Benachteiligungsverbot.

Wie hoch das Gehalt im Einzelfall sein muss, ist häufig schwer zu bemessen. Betriebsratsmitglieder arbeiten wegen ihres Amtes nämlich meist nicht mehr so viel im Betrieb wie andere Arbeitnehmer. Das gilt besonders für freigestellte Betriebsräte. Die potentielle Entwicklung ihres Gehalts ohne die Mitgliedschaft im Betriebsrat ist aus diesem Grund schwer skizzierbar.

Maßgeblich ist daher das Gehalt von vergleichbaren Arbeitnehmern, die sich betriebsüblich weiterentwickelt haben. Es kommt unter anderem darauf an,

  • welche Laufbahn in der Vergangenheit im Betrieb üblich war
  • und ob die Mehrzahl vergleichbarer Arbeitnehmer mittlerweile eine höherwertige Tätigkeit ausübt.

Beispiel: A und C sind seit sechs bzw. sieben Jahre im Betrieb, B hingegen erst seit drei. A und C wurden, ohne dass dies an besonderen persönlichen Fähigkeiten liegt, nach vier Jahren in Positionen befördert, in denen sie auch mit dem Fahrzeughandel betraut waren. Als B vier Jahre im Betrieb ist, wird er nicht befördert. Auch wird sein Gehalt nicht entsprechend angehoben.

Eine unzulässige Benachteiligung liegt hingegen nicht vor, wenn A und C befördert wurden, weil sie eine Fortbildung besucht haben, die B genauso hätte besuchen können. War B daran wegen seiner Arbeit für den Betriebsrat gehindert, ist er wiederum unzulässig benachteiligt.

Wird ein Betriebsratsmitglied nicht entsprechend der betriebsüblichen Entwicklung bezahlt, kann es auf Auszahlung des Differenzbetrags klagen.

Abmahnung wegen Maßnahmen als Betriebsrat

Verstößt ein Mitarbeiter gegen seine Pflichten, kann der Chef ihn abmahnen. Dies erleichtert ihm eine spätere verhaltensbedingte Kündigung.

Die Abmahnung kommt aber nur in Betracht, wenn Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt wurden. Verstößt ein Betriebsratsmitglied gegen Pflichten, die gerade aufgrund dieses Amtes bestehen, kann es nicht abgemahnt werden.

Beispielsfall vor dem Arbeitsgericht Stuttgart: Betriebsratsmitglieder forderten alle Mitarbeiter im Außendienst auf, ihren Zielvorgaben zu widersprechen. So sollten die errechneten Prämien angegriffen werden. Die Arbeitgeberin war der Ansicht, dass dieses Verhalten gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG) und die Friedenspflicht (§ 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG) verstoße. Sie mahnte die Betriebsräte ab.

Diese Abmahnungen sind aus der Personalakte zu entfernen und damit aus der Welt zu schaffen. Ob die genannten Pflichten verletzt wurden, ließ das Arbeitsgericht offen. In jedem Fall dürfe deshalb nicht abgemahnt werden (Az. 4 BV 251/18).

Will der Arbeitgeber gegen Pflichtverstöße im Amt vorgehen, kann er allenfalls versuchen, die Person vom Betriebsrat auszuschließen (§ 23 Abs. 1 BetrVG).

Die Abmahnung bleibt natürlich möglich, wenn sich das Betriebsratsmitglied in seiner Rolle als gewöhnlicher Arbeitnehmer falsch verhält.

Beispiel: Betriebsratsmitglied A kommt regelmäßig verspätet zur Arbeit.

Auch diese Abmahnung kann allerdings gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen, wenn sie nur gegenüber dem Betriebsratsmitglied ausgesprochen wird, obwohl zahlreiche andere Kollegen auch zu spät erscheinen.

Gegen eine Abmahnung wegen Verstöße im Amt kann auf Entfernung aus der Personalakte geklagt werden. Dies muss das betroffene Mitglied selbst tun. Es besteht kein Klagerecht des Betriebsrats als Organ.

Keine Übernahme nach befristetem Vertrag

Befristete Verträge sind in der heutigen Arbeitswelt allgegenwärtig. So ist es üblich, dass auch befristet angestellte Mitarbeiter in den Betriebsrat gewählt werden.

Durch die Mitgliedschaft im Betriebsrat haben diese Arbeitnehmer zwar keinen Anspruch darauf, dass ihr Vertrag nach Auslaufen verlängert wird. Ist allerdings ersichtlich, dass die Verlängerung gerade wegen der BR-Tätigkeit ausblieb, verstößt der Arbeitgeber gegen das Benachteiligungsverbot.

Ob der Vertrag gerade wegen der Tätigkeit im Betriebsrat nicht verlängert wurde, lässt sich selten eindeutig beweisen. Es genügt aber, wenn der Arbeitnehmer Tatsachen benennen kann, die dies sehr wahrscheinlich erscheinen lassen.

Beispiele:

  • In den letzten vier Jahren wurden alle befristeten Verträge in einer Abteilung verlängert.
  • Unmittelbar vor der Entscheidung des Arbeitgebers hat sich dieser erheblich über einen Beschluss des Betriebsrats geärgert.
  • Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat (schriftlich) mitgeteilt, dass er ihn wegen seiner Arbeit im Betriebsrat loswerden wolle.
  • Der Arbeitgeber kann keine anderen Gründe benennen, die der Verlängerung im Wege gestanden hätten. So wird es häufig sein, wenn weiterhin Bedarf für die Stelle besteht und die Arbeit bisher tadellos war.
Wurde der Vertrag wegen der Mitgliedschaft im Betriebsrat nicht verlängert, kann unmittelbar auf Erhalt der Stelle geklagt werden. Ob diese befristet oder unbefristet sein muss, hängt vom Einzelfall ab.

Änderungen von Arbeitszeit, -inhalt und -ort

Soweit Arbeits- oder Tarifvertrag keine entsprechenden Regelungen enthalten, kann der Chef bestimmen, was, wann und wo gearbeitet wird. Bei der Ausübung dieses Weisungsrechts darf er jedoch nicht einzelne Betriebsräte benachteiligen.

Beispiele:

  • Ein dauerhaft freigestellter Betriebsrat soll mindestens 40 Stunden pro Woche arbeiten, um sein volles Gehalt zu erhalten. Vergleichbare Schichtarbeiter erhalten sie allerdings schon nach 36 Stunden.
  • Dem Mitarbeiter wird eine deutlich geringwertigere Tätigkeit zugewiesen, weil die vorherige mit der Arbeit für den Betriebsrat zeitlich nicht kompatibel war. Sofern sich eine gleichwertige Tätigkeit mit der Arbeit im Betriebsrat zeitlich eher vereinbaren lässt, ist diese Maßnahme unzulässig.
  • Dem Mitarbeiter war bisher ein Doppelbüro zugewiesen. Nach der Wahl in den Betriebsrat wird er ohne räumliche Notwendigkeit in ein Großraumbüro umgesetzt.

Erwähnung im Arbeitszeugnis

Scheidet ein Mitarbeiter aus dem Betrieb aus, erhält er ein Arbeitszeugnis. Darauf darf die Betriebsratstätigkeit nicht erwähnt werden. Schließlich soll das Arbeitszeugnis bei der Stellensuche helfen. Viele Arbeitgeber werden aber Angst vor der Einstellung von Bewerbern haben, die sich in der Vergangenheit engagiert für die Rechte der Mitarbeiter eingesetzt haben.

Etwas anderes kann gelten, wenn

  • der Arbeitnehmer mit der Erwähnung einverstanden ist bzw. ausdrücklich darum bittet
  • oder der Arbeitnehmer über sehr lange Zeit als Betriebsrat dauerhaft freigestellt war und deshalb kaum eine Aussage über die Arbeitsleistung möglich ist.
Wird die Mitgliedschaft trotzdem erwähnt, kann ein neues Zeugnis verlangt und darauf auch geklagt werden.

3. Fazit

  • Ein Betriebsrat darf wegen seines Amtes nicht benachteiligt werden.
  • Negative Umstände, die alle Mitarbeiter gleichermaßen betreffen, muss auch ein Betriebsrat hinnehmen. Würden auch diese Nachteile ausgeglichen, wäre er unzulässig begünstigt.
  • Folgende Benachteiligungen sind besonders häufig:
    • Dem Betriebsrat wird ein geringeres Gehalt gezahlt als vergleichbaren Arbeitnehmern.
    • Ein Betriebsratsmitglied wird abgemahnt, weil es Pflichten im Amt verletzt hat.
    • Der Vertrag eines Betriebsrats wird wegen des Amtes nicht verlängert.
    • Der Arbeitgeber erwähnt die Tätigkeit im Betriebsrat im Arbeitszeugnis.
    • Arbeitsinhalt, -zeit oder -ort werden negativ verändert.
  • Betroffene BR-Mitglieder können gegen die Benachteiligung vorgehen, notfalls auch gerichtlich. Zunächst ist aber meist das direkte Gespräch mit dem Arbeitgeber sinnvoller.