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Betriebsbedingte Kündigung: Abfindung – Frist – Sozialauswahl

Veränderungen im Unternehmen gehen oft mit Kündigungen einher. Solche betriebsbedingten Kündigungen sind allerdings fehleranfällig. In aller Regel lässt sich daher zumindest eine Abfindung aushandeln. Oft kann sogar der Arbeitsplatz gerettet werden.

1. Gründe für eine betriebsbedingte Kündigung

Der Arbeitgeber darf seinem Arbeitnehmer nur kündigen, wenn er einen Kündigungsgrund hat. So bestimmt es das Kündigungsschutzgesetz (KSchG).

Neben dem Verhalten und der Person des Arbeitnehmers kann sich der Arbeitgeber auch auf betriebsbedingte Gründe stützen. Ein betriebsbedingter Kündigungsgrund liegt dann vor, wenn dringende betriebliche Umstände der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen.

In den folgenden Abschnitten zeigen wir Ihnen Fälle, in denen eine betriebsbedingte Kündigung oft möglich ist.

Zuvor aber noch ein Hinweis: In den ersten sechs Monaten der Beschäftigung (§ 1 Abs. 1 KSchG) und in Kleinbetrieben mit höchstens zehn Arbeitnehmern (§ 23 Abs. 1 KSchG) gilt das KSchG nicht. Der Arbeitgeber braucht dann keinen Kündigungsgrund.

Auftragsmangel und Umsatzrückgang

In wirtschaftlich schweren Zeiten bekommen Unternehmen häufig weniger Aufträge und erleiden einen Umsatzrückgang. In dieser Situation ist eine betriebsbedingte Kündigung der betroffenen Arbeitnehmer möglich. Der Arbeitgeber muss vor Gericht aber genau darlegen können, dass er nun wirklich auf Dauer weniger Arbeit zu vergeben hat.

Beispiel: Wegen mangelnder Aufträge wird weniger Ware verkauft, sodass im Versand weniger Arbeit anfällt. Arbeitnehmern, die im Versand tätig sind, kann daher betriebsbedingt gekündigt werden.

Der Arbeitgeber kann sich bei einem Auftrags- und/oder Umsatzrückgang aber auch dazu entscheiden, sein Unternehmen neu zu strukturieren. So soll der Betrieb dauerhaft an die neue Lage angepasst werden. Bei einer solchen Anpassung fallen meist zwangsläufig Arbeitsplätze weg. Mehr dazu im nächsten Abschnitt.

Umstrukturierung des Betriebs

Eine Umstrukturierung kann nicht nur in wirtschaftlichen Krisenzeiten, sondern auch immer dann erfolgen, wenn der Arbeitgeber eine Modernisierung seines Unternehmens als notwendig ansieht.

Beispiele für solche Umstrukturierungen sind:
 

  • Outsourcing, d.h. bisher im Betrieb erledigte Aufgaben werden jetzt an externe Unternehmen übergeben.
  • Es werden neue Maschinen gekauft und somit sind zukünftig weniger Arbeitnehmer notwendig.
  • Arbeitsplätze werden verändert, sodass sich das Anforderungsprofil der Stelle ändert.
  • Abteilungen werden zusammengelegt oder geschlossen.
  • Arbeiten werden ins kostengünstigere Ausland verlagert.

Der Arbeitgeber darf solche unternehmerischen Entscheidungen grundsätzlich frei treffen und Arbeitnehmern – falls erforderlich – betriebsbedingt kündigen. Wichtig ist nur, dass das zugrundeliegende Konzept schlüssig und auf Dauer angelegt ist.

Betriebsstilllegung

Helfen Umstrukturierungen und Anpassungen nicht weiter, schließen Arbeitgeber den Betrieb mitunter. Die Betriebsstilllegung rechtfertigt dann grundsätzlich eine betriebsbedingte Kündigung. Die Arbeitnehmer können schließlich nicht mehr beschäftigt werden.

Achtung: Haben Unternehmen mehrere Standorte, gilt oft jeder selbständig arbeitende Standort als eigener Betrieb. Für die betriebsbedingten Kündigungen muss dann nicht das gesamte Unternehmen geschlossen werden. Der einzelne Standort genügt. Unter Umständen hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aber zunächst eine Beschäftigung an einem anderen Standort anzubieten.

Für die Kündigung muss die Stilllegung nicht kurz bevorstehen. Eine Kündigung „auf Vorrat“ für die in ferner Zukunft angedachte Betriebsschließung genügt aber auch nicht. Selbstverständlich darf der Arbeitgeber eine Betriebsstilllegung nicht nur vortäuschen, um Arbeitnehmern zu kündigen.

Betriebsübergang oder Inhaberwechsel

Verkauft der Arbeitgeber das Unternehmen, kommt es zu einem Inhaberwechsel bzw. einem Betriebsübergang. Im Gegensatz zu einer Betriebsstilllegung ist eine betriebsbedingte Kündigung in diesem Fall nicht möglich. Tatsächlich ist es sowohl dem alten Arbeitgeber als auch dem neuen Inhaber gesetzlich verboten, Arbeitnehmern wegen des Betriebsübergangs zu kündigen (§ 613a Abs. 4 BGB).

Eine Kündigung bleibt aber möglich, wenn sie nicht direkt aufgrund des Betriebsübergangs erfolgt.

Beispiel: Arbeitgeber dürfen auch weiterhin ihr Unternehmen neu strukturieren, damit es für potentielle Käufer attraktiver wird. Sie können auch Rationalisierungsmaßnahmen durchführen. Fallen so Arbeitsplätze weg, kann Arbeitnehmern gekündigt werden.

Es lohnt sich daher, bei einer Kündigung im zeitlichen Zusammenhang mit einem Betriebsübergang genau hinzusehen.

Insolvenz

Ist das Insolvenzverfahren über den Arbeitgeber eröffnet, entscheidet regelmäßig der Insolvenzverwalter über die Zukunft des Unternehmens. Er beschließt also, ob der Betrieb oder Teile des Betriebs geschlossen werden oder Rationalisierungsmaßnahmen notwendig sind. Eine Kündigung droht bei einer Insolvenz daher zwar grundsätzlich nicht durch den Arbeitgeber, wohl aber durch den Insolvenzverwalter.

Mit Blick auf Kündigungen gelten für den Insolvenzverwalter dieselben Regeln wie für den Arbeitgeber. Auch er braucht also einen Kündigungsgrund und hat alle übrigen Anforderungen zu beachten. Allerdings gelten einige wichtige Besonderheiten, unter anderem:

  1. Der vertraglich vereinbarte Kündigungsschutz gilt nicht mehr (§ 113 InsO). Stattdessen kann der Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten zum Monatsende kündigen.
  2. Der Insolvenzverwalter kann mit gerichtlicher Zustimmung eine Betriebsänderung besonders schnell durchführen und so den Betriebsrat umgehen (§ 122 InsO).

Bei einem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung tritt zwar kein Insolvenzverwalter auf den Plan. Dennoch gelten die o.g. Erleichterungen – nun aber für den Arbeitgeber selbst.

2. Betriebsbedingte Kündigung wegen Corona?

Ob eine betriebsbedingte Kündigung wegen der Corona-Pandemie möglich ist, hängt stark vom Einzelfall ab. Der Arbeitgeber kann – einfach gesprochen – auf zwei Weisen argumentieren:

  1. Er kündigt allein mit Verweis auf den starken Umsatzrückgang infolge des Lockdowns o.ä.
    In diesem Fall prüft das Gericht, ob diese außerbetrieblichen Umstände tatsächlich eine Entlassung erfordern. Ist der Umsatzrückgang nur vorübergehend (wovon in einigen Branchen auszugehen ist), hat eine Klage gegen die Kündigung gute Chancen auf Erfolg.
  2. Der Arbeitgeber strukturiert seinen Betrieb um und streicht in diesem Zuge Stellen.
    Der Unterschied mag banal klingen, ist vor Gericht aber entscheidend. Hier stützt sich der Arbeitgeber auf innerbetriebliche Umstände. Innerhalb wie außerhalb der Krise darf er den Betrieb nach seinen Vorstellungen gestalten. Die Umstrukturierung muss nur einigermaßen schlüssig sein und dauerhaft zum Entfall von Stellen führen – dann besteht ein Kündigungsgrund.

3. Typische Fehler einer betriebsbedingten Kündigung

Bei der betriebsbedingten Kündigung unterlaufen dem Arbeitgeber häufig Fehler. Er muss nicht nur einen stichhaltigen Kündigungsgrund haben, sondern auch eine Vielzahl weiterer Anforderungen beachten.

Im Folgenden zeigen wir Ihnen einige typische Fehlerquellen:

Formale Fehler

Arbeitgeber haben einige formale Kriterien bei der Kündigung zu beachten. Auf den ersten Blick erscheinen diese zwar recht einfach. Im „Eifer des Gefechts“ werde aber gerade Formalitäten gerne vergessen.

Zu nennen sind insbesondere:

Die Kündigung muss das letzte Mittel sein

Eine Kündigung hat für Arbeitnehmer schwerwiegende Folgen. Sie muss daher unvermeidbar sein. Der Arbeitgeber muss also erst schauen, ob er den Arbeitsplatzverlust nicht durch andere Maßnahmen vermeiden kann.

Besonders in folgenden Fällen ist eine Kündigung nicht das letzte Mittel und daher unzulässig:

  • Der Arbeitnehmer kann sich fortbilden und so im Unternehmen weiterbeschäftigt werden.
  • Es gibt einen freien Arbeitsplatz, auf den der Arbeitnehmer versetzt werden kann. Der Arbeitgeber sollte dem Arbeitnehmer hierbei auch eine „schlechtere“ Beschäftigung zumindest anbieten.

Der Arbeitsplatz fällt nur vorübergehend weg

Eine betriebsbedingte Kündigung ist nur dann möglich, wenn der Arbeitnehmer dauerhaft nicht mehr beschäftigt werden kann. Arbeitgeber müssen daher beweisen, dass der gestrichene Arbeitsplatz nicht nur kurzfristig wegfällt.
Arbeitgebern gelingt dieser Beweis nicht immer. Beispielsweise gehören vorübergehende Engpässe zum wirtschaftlichen Risiko des Arbeitgebers und berechtigten nicht zur Kündigung.

Die Gerichte prüfen bei betriebsbedingten Kündigungen daher umfangreich, ob die betrieblichen Umstände auch wirklich zu einem dauerhaften Rückgang des Beschäftigungsvolumens führen.

Falsche Sozialauswahl

Der Arbeitgeber muss bei einer Kündigung prüfen, welcher Arbeitnehmer besonders schutzbedürftig ist. Vor einer betriebsbedingten Kündigung hat der Arbeitgeber daher eine „Sozialauswahl“ durchzuführen. Dabei sind

  • Alter,
  • Unterhaltspflichten,
  • Dauer der Betriebszugehörigkeit
  • und eine Schwerbehinderung

des Arbeitnehmers zu berücksichtigen.

Beispiel: Arbeitet ein schwerbehinderter Arbeitnehmer bereits seit 30 Jahren für seinen Arbeitgeber, muss dieser einem jungen und gesunden Kollegen zuerst betriebsbedingt kündigen.

Der Arbeitgeber kann sich also nicht frei aussuchen, welchem von mehreren vergleichbaren Arbeitnehmern er betriebsbedingt kündigt. Hier kommt es besonders häufig zu Fehlern.

4. Kündigungsfrist bei einer betriebsbedingten Kündigung

Durch die Kündigung werden Arbeitnehmer nicht sofort arbeitslos. Das Arbeitsverhältnis endet erst, wenn die Kündigungsfrist ausgelaufen ist. Sofern Arbeits- oder Tarifvertrag nichts anderes vorsehen, gilt die gesetzliche Kündigungsfrist. Diese bemisst sich danach, wie lange der Arbeitnehmer schon im Unternehmen angestellt ist. Arbeits- und Tarifverträge können in gewissen Grenzen andere Fristen vorsehen.

Beispiel: Besteht das Arbeitsverhältnis seit weniger als zwei Jahren, kann der Arbeitgeber mit einer Frist von vier Wochen kündigen.
 
Läuft das Arbeitsverhältnis aber schon seit mindestens 20 Jahren, beträgt die Frist sieben Monate.

Die genauen Fristen können in § 622 BGB nachgelesen werden. Zu beachten ist, dass während einer vereinbarten Probezeit eine Kündigungsfrist von nur zwei Wochen gilt (§ 622 Abs. 3 BGB). Zudem können aufgrund eines Sonderkündigungsschutzes abweichende Regelungen gelten.

5. Abfindung bei einer betriebsbedingten Kündigung

Grundsätzlich gilt: Arbeitgeber müssen ihren Arbeitnehmern bei einer Kündigung keine Abfindung zahlen. Es hängt daher vom Arbeitgeber ab, ob Arbeitnehmer eine Abfindung erhalten oder leer ausgehen.

Gerade bei der betriebsbedingten Kündigung stehen die Chancen aber meist gut.

Arbeitnehmer können beispielweise in diesen Situationen auf eine Abfindung hoffen:

  • Bei Umstrukturierung oder Stilllegung des Betriebs vereinbaren Arbeitgeber und Betriebsrat oft Maßnahmen, um Arbeitnehmern zu helfen (im Sozialplan). Häufig ist hier eine Abfindung vorgesehen.
  • Klagt der Arbeitnehmer gegen die Kündigung, können sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber vor Gericht vergleichen. Sie einigen sich dann darauf, dass der Arbeitnehmer die Kündigung akzeptiert und als Ausgleich eine Abfindung erhält.
  • Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer bei einer betriebsbedingten Kündigung eine Abfindung anbieten, wenn der Arbeitnehmer im Gegenzug nicht gegen die Kündigung klagt.
Im zuletzt genannten Fall gibt das Gesetz für die Höhe der Abfindung folgende Formel vor (§ 1a KSchG):
 
0,5 Bruttomonatsgehälter x Anzahl der Jahre im Betrieb.
 
Diese Formel dient auch in anderen Fällen oft als Anhaltspunkt für die Abfindungshöhe.

6. Betriebsbedingte Kündigung erhalten – was tun?

Das Wichtigste ist, dass Sie zügig handeln: Klagen Sie nicht innerhalb von drei Wochen gegen Ihre Kündigung, wird diese automatisch wirksam. Ihr Arbeitsplatz ist dann endgültig verloren und eine (höhere) Abfindung in der Regel unrealistisch.

Sie sollten daher früh Kontakt zu einem Anwalt für Arbeitsrecht aufnehmen, um Ihren Fall zu besprechen. Er gibt Ihnen eine Einschätzung, ob sich eine Klage lohnt.

Außerdem ist es ratsam, sich arbeitssuchend zu melden. Sonst erhalten Sie weniger und erst verzögert Arbeitslosengeld, sollten Sie tatsächlich Ihre Stelle verlieren.

7. Fazit

  • Auftragsmangel, Umsatzrückgang, Betriebsumstrukturierung und -stilllegung können betriebsbedingte Kündigungen rechtfertigen. Betriebsübergang und Inhaberwechsel hingegen nicht.
  • Bei einer Insolvenz des Arbeitgebers entscheidet meist der Insolvenzverwalter über Kündigungen.
  • Die Kündigungsfrist richtet sich nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses: Je länger ein Arbeitnehmer in dem Betrieb arbeitet, desto länger die Frist.
  • Der Arbeitnehmer hat grundsätzlich keinen Anspruch auf eine Abfindung. Oft stehen die Chancen auf eine Zahlung dennoch gut.
  • Für eine Klage gegen die Kündigung sind nur drei Wochen Zeit! Wegen der Fehleranfälligkeit einer betriebsbedingten Kündigung sollten Arbeitnehmer die Entlassung unbedingt durch einen Rechtsanwalt für Arbeitsrecht prüfen lassen.

8. Video